30 - Auf fremden Pfaden
verhelfen?“
Zum Gegenmord verhelfen? Ich, als Christ? Nein! Und doch konnte ich ja sagen, weil ich wußte, daß nicht der Scheik der Mörder war, sondern seine Leute Mesud getötet hatten, wenn auch in seinem Auftrag. Darum antwortete ich:
„Ja, dieser Scheik soll sterben, falls er der Mörder ist. Ich muß ja auch zu ihm; ich muß ihn finden, denn ich werde mein Leben daran wagen, meine Gewehre wieder zu bekommen!“ – – –
2. El Lakit
Als wir zu Halef zurückkehrten, war er erwacht. Seinen schmerzenden Kopf in den Händen haltend, rief er mir entgegen:
„Oh, Sihdi, was ist geschehen! Daß mir mein Kopf brummt wie damals der große Bär, den wir bei der Hütte des Kohlenhändlers erlegten, das tut nichts, denn er wird zu brummen aufhören; aber Mesud ist tot, und du hättest auch beinahe dein Leben lassen müssen. Ich wäre vor Gram gestorben, vor Schmerz um deinen Tod; Hanneh, die beste unter allen Frauen, wäre eine betrübte Witwe und Kara, mein Sohn, ein trauernder Waisenknabe geworden. Und daran ist dieser Abd el Kahir, der Scheik, der Mörder und Räuber schuld! Allah sende ihn in den Teil der Hölle, wo selbst das Feuer so kalt ist, daß es noch gekocht werden muß!“
„Ich bin doch nicht so gut weggekommen, wie du denkst“, erwiderte ich ihm. „Die Kerls haben meine Gewehre mitgenommen.“
Da sprang er, seine Schmerzen vergessend, auf und sprach nicht, sondern schrie förmlich:
„Deine Gewehre? Denen wir so oft unsere Rettung zu verdanken hatten? Die so ganz unersetzlich sind? Ist das wahr, Sihdi?“
„Leider, ja.“
„So sende Allah diesen Scheik ja noch nicht in die Hölle, sondern warte noch damit so lange, bis wir die Gewehre wieder haben! Du magst sie doch nicht missen, sondern wirst sie wieder holen?“
„Ganz gewiß!“
„So recht, so recht, Sihdi! Diese Flinten haben dich zu allen Völkern und in alle Länder der Erde begleitet, und wenn ihre Stimme erscholl, sind wir Sieger in allen Gefahren gewesen. Was wären wir ohne sie? Menschen ohne Arme und Beine, Vögel ohne Flügel und Tabakspfeifen ohne Feuer! Wir müssen sie holen, unbedingt, unbedingt, und wenn man sie noch so gut und noch so pfiffig verstecken sollte! Und wenn wir sie haben, dann werde ich diesem Abd el Kahir einen viel kräftigeren Klapps auf den Kopf versetzen, als er mir gegeben hat, einen Klapps, von dem er ganz gewiß nicht wieder erwachen soll, wie ich von dem seinigen!“
„Warum hast du nicht besser aufgepaßt? Du wußtest doch, daß ich ihm nicht traute!“
„Oh, dieser Sohn einer Hündin war so freundlich und zutraulich, daß es mir fast wehe tat, ihn in einem so schlimmen Verdachte gehabt zu haben.“
„Ich begreife ihn. Er hat Mesud seinen Leuten in die Hände geführt und ist dann, von unsern betenden Haddedihn unbemerkt, nach hier zurückgekehrt, um dich und mich in dieselbe Falle zu bringen. Da er dich allein antraf, hat er dich niedergeschlagen, um mich, sobald ich wiederkommen würde, mit deinem Gewehr zu töten. Daß ich vorher seinen Leuten in die Hände fiel und daß diese vertrieben wurden, dafür konnte er nichts. Nun haben wir keine Pferde und müssen nach Basra laufen.“
„Das ist schlimm. Wären wir beritten, so könnten wir sofort den Spuren dieser Mörder folgen und würden sie einholen.“
„Wir werden sie finden, ohne daß wir ihnen folgen. Wir wissen ja, wer sie sind, und der Scheik der Muntefik kann nicht vom Erdboden verschwinden. Wir werden sofort, wenn wir nach Basra kommen, zum Mutessarif (Gouverneur) gehen und ihm erzählen, was geschehen ist. Er muß uns helfen.“
„Wenn Allah gibt, daß er will!“
„Er muß wollen, denn ich werde ihm zeigen, daß ich im Schatten des Padischah stehe. Hast du dich so weit erholt, daß du den Rückweg mitantreten kannst?“
„Oh, ich bin schnell gesund geworden, als ich von dem Verlust deiner Gewehre hörte. Wir können gehen.“
„Gut! Aber den Toten dürfen wir nicht unbewacht lassen. Der Mutessarif wird Beamte herschicken, welche den Tatbestand aufzunehmen haben. Wir lassen Mesud also jetzt unbeerdigt liegen und kehren mit diesen Beamten zurück, um ihn dann zu begraben.“
Da sagte Omar Ben Sadek:
„Mesud war mein Verwandter, und wie ich darum die Blutrache auszuführen habe, werde ich auch bei ihm bleiben, bis ihr wiederkehrt.“
Er entfernte sich, ohne meine Zustimmung abzuwarten; wir aber traten den Heimweg nach Basra an. Ich gestehe aufrichtig, daß mir der Verlust meiner Gewehre ebenso zu Herzen ging
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