305 - Nach Millionen von Jahren
du mir etwa vorwerfen, ich sei eifersüchtig?«
»Sagtest du nicht einmal, du wärst bereit, aus Eifersucht einen Mord zu begehen?«
»Das war dummes Gerede. Ich dachte, du wolltest es gerne hören.«
»Tut mir leid, aber für dummes Gerede habe ich nicht viel übrig.«
Sie ballte die Hände zu Fäusten. »Ich auch nicht! Deshalb ziehe ich mich jetzt zurück. Du weißt, wo du mich finden kannst.« Mit einer zornigen Drehung wandte sie sich ab, schlug kräftig mit Beinen und Füßen und tauchte zwischen zwei Blutsternen hindurch.
Gilam’esh ließ den Kopf hängen. Großartig. So wie es aussah, würde seine Muschelvilla noch lange leer bleiben.
***
Vergangenheit
Sie war wach und doch träumte sie. In einem sonderbaren Zwischenzustand wirbelte sie durch blaues Licht. Verloren in Zeit und Raum. Auf- und absteigende Spiralen zogen an ihr vorbei, durch sie hindurch. Irgendwo schrie sie, aber nicht hörbar, nur fühlbar, an einem weit entfernten Ort. Sie blinzelte. Fragmente des Universums rotierten um sie: Sterne, Bäume, Sand, Meeresschaum, zahlreiche Hüllen von Getier, von Pflanzen und von Dingen, für die ihr Geist keinen Namen fand.
Manil’bud stürzte im Nichts des Strahls. Mit erschreckender Sicherheit wusste sie, dass sie Gilam’esh nie wiedersehen würde. Einen Augenblick hatte sie das Gefühl, ihn zu sehen, wie er vor Entsetzen erstarrt im Strahl trieb. Eine hilflose Gestalt, die rasend schnell über ihr verschwand. Dann stürzte sie weiter, stürzte und stürzte durch Jahre, Jahrhunderte, Jahrtausende. Einer Zukunft entgegen, die sie sich nicht vorstellen konnte und wollte.
Ihr Herz blutete. Sie hatte ihre Heimat verloren und den, den sie liebte. Was auch immer ihr auf Ork’huz begegnen würde, sie wusste nicht, ob sie sich dem stellen konnte. Ihr Geist wurde zerrissen, zersprengt in tausend Teile. Sie wünschte sich, von der Alterungszone getötet zu werden. Doch dieses Schicksal war ihr erspart geblieben. Die Schöpfer hatten mit ihr andere morbide Pläne.
Eine wogende Fläche raste auf sie zu. Ein Meer.
Das alles geschah im Bruchteil einer Sekunde – während außerhalb des Strahls Jahrmilliarden vergingen.
Erneut wurde es dunkel. Dieses Mal war die Finsternis schwarz. Und gnädig.
***
Gilam’esh ’ gad
Matt erwachte und setzte sich langsam auf. Er hatte zu E’fah gewollt, doch sein Körper schien noch zu schwach gewesen zu sein, um die Anstrengung zu meistern. Jetzt aber fühlte er sich stark und zuversichtlich. Er sah sich nach Xij um, doch ihr Behältnis neben dem seinen war leer.
»Sie ist bei einer Untersuchung«, informierte ihn Dra’nis von der Schleuse her. »Bel’ar und Garis’neh haben sie dorthin bestellt. Und dir soll ich das hier bringen.«
Er streckte die blaugrünen Arme aus und hielt ihm eine Schale entgegen. Zögernd nahm Matt die dargebotene Speise. Zwei Stäbchen, die sich nach unten hin verbreiterten, lagen in einer Vertiefung im Schalenrand. Er griff danach und hob eine Portion der undefinierbaren Masse hoch. Dabei erwischte er festes Fleischimitat und Brocken von Grün. Gegen einen kurzen Ekelimpuls ankämpfend, nahm er das Essen in den Mund. Es schmeckte gut. Wie Feldsalat mit Hummer. Das grüne Zeug musste eine spezielle Tiefsee-Ko’onen-Art sein.
»Danke.« Er lächelte. »Hast du auch Wasser?«
Dra’nis wies auf eine bionetische Karaffe, die neu befüllt worden war. Er deutete eine Verneigung an und wollte sich zurückziehen. Matt fühlte sich wie der verrückte Kaiser eines Unterwasserreichs, bei so viel Ehrerbietung.
»Bleib doch«, meinte er einladend. »Ich habe dir noch nicht von Vogler erzählt.«
Dra’nis Augen strahlten. Er setzte sich auf den breiten Rand der Ruheschale und lauschte Matts Worten über Vogler und dessen Rückkehr zum Mars mit großer Andacht. Matt ließ einige Dinge aus, die Dra’nis vielleicht beunruhigen könnten. Die mögliche Ankunft eines Streiters brauchte er nicht gerade einem Kind auf die schiefen Schultern zu laden.
»Hier ist sehr viel passiert, seit du weg bist«, sagte Dra’nis nach Matts Bericht. Nun war es an ihm zu erzählen und einiges von dem, was Quart’ol ihm bereits mitgeteilt hatte, zu ergänzen. Matt war erfreut, wie schnell die Stadt sich entwickelte.
Dra’nis lehnte sich vertraulich vor. Inzwischen schien er seine Zurückhaltung gänzlich verloren zu haben. »Pozai’don mag es nicht. Ich glaube, ihm geht alles zu schnell. Er ist sehr komisch geworden in den letzten Zyklen.« Der Hydritenjunge
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