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306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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eingefriedete Weg über die Burggräben zur Zugbrücke ist verdammt lang, was?« Hoss schnitt eine besorgte Miene. »Viel Zeit auf Besuch jeder Art zu schießen, würde ich sagen. Der Herr sei uns gnädig, wenn wir diesen Weg nehmen müssen.«
    »Wer ist das, ›der Herr‹?« Varmer setzte das Fernrohr ab und musterte seinen Adjutanten.
    »Keine Ahnung.« Hoss zuckte mit den Schultern. »Wudan, schätze ich mal.«
    Varmer zog den Rotz hoch, spuckte aus und schlich ein paar Dutzend Schritte weiter. Hoss und ein Spähtrupp von sieben Mann folgten ihm. Die Hauptstreitmacht der Exekutoren lag eine halbe Wegstunde entfernt am Rand einer Schafweide. Die Luft war kühl und es nieselte. Nichts Ungewöhnliches für den April. Hier oben in dieser Höhenlage musste man froh sein, wenn es zu dieser Jahreszeit nicht mehr schneite.
    Von der nächsten Deckung aus betrachtete Varmer das mehrstöckige Haus neben dem Rundturm durch sein Fernrohr. Es ragte direkt am Ufer des Burggrabens auf. Die Fenster des untersten Stockwerkes lagen kaum drei Meter über der Uferböschung. Natürlich waren sie vergittert. An einem jedoch hing das Gitter merkwürdig schräg.
    »Wir nehmen das mittlere Fenster unten links.« Varmer drückte Hoss das Fernrohr in die Hand. »Du bleibst mit drei Männern hier, Kleiner. Wenn die Abenddämmerung einbricht sucht ihr den günstigsten Weg über den Burggraben. Eine Stunde vor Sonnenaufgang treffen wir uns an dieser Stelle hier. Dann erwarte ich deinen Bericht.«
    »Dein Wille geschehe, Jesus.« Hoss wählte drei Männer aus und tauchte im Unterholz ab. Varmer machte sich auf den Weg zur Weide, wo seine Hauptstreitmacht wartete. Der Regen nahm zu.
    Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten er und seine Späher die Weide. Zwischen niedrigem Nadelgehölz am Rande einer Koppel hatte Varmers Truppe sich mit Lederdecken und bereits knospendem Laub getarnt und notdürftig gegen den Regen geschützt.
    Varmer wollte die Gefangenen sehen. Sie schleppten ein Paar zu ihm, einen Vater mit seiner Tochter. Beide waren am frühen Morgen aus der Burg gekommen und abseits der Wege und Pfade tief in den Wald eingedrungen. »Pilzsammler«, erklärte ihm einer seiner drei Hauptexekutoren.
    »Wie heißt du?«, fragte Varmer den Mann. Der war ein wenig untersetzt, hatte eine breites, rötliches Gesicht und kaum noch Haare auf dem Kopf.
    »Harold«, antwortete er. »Wir sind einfache Leute, Herr, wollten nur Zutaten für das Mittagessen aus dem Wald...«
    »Und du?«, wandte Varmer sich an das Mädchen. Vielleicht war es sechszehn, vielleicht jünger. Es kam ihm dicklich und klein vor, hatte eine winzige Stupsnase und semmelblondes Haar. Seine Unterlippe zitterte. »Ich hab’ dich was gefragt.«
    »Meralda«, wisperte das Mädchen und zog die Schultern hoch.
    »Was ist eure Aufgabe in der Burg?«, wollte Varmer wissen.
    »Wir arbeiten in der Küche, helfen dem Koch.«
    »Wie viele Leute hausen in der Burg?«
    »Ich weiß nicht genau, ich glaube weniger als vierzig.«
    »Wie viele sind unter Waffen?«
    »Ich weiß nicht genau, höchstens...«
    »Kein Wort, Meralda!«, zischte der Mann. »Du verrätst nichts!«
    Varmer fuhr herum und schlug dem Vater mit dem Handrücken auf die rechte Schädelseite – der Mann flog in die Büsche. »Aufstehen!«, herrschte Varmer ihn an. Der Mann rappelte sich hoch. »Wenn dir jemand eine auf die rechte Backe gibt, biete ihm auch die linke dar«, raunzte Varmer. »Also los!«
    »Wie meint Ihr, Herr?« Der Mann namens Harold hielt sich die Wange und blinzelte verwirrt zu Varmer hinauf. Der schlug erneut zu, diesmal auf die linke Schädelseite. Harold flog wieder in die Büsche. Blutend und zuckend blieb er liegen.
    Varmer drehte sich nach dem Mädchen um, das zitterte, benagte seine Unterlippe und weinte. »Also – wie viele unter Waffen?«
    »Ich darf nicht... ich darf nichts sagen«, stammelte die völlig verstörte Meralda.
    »Schneidet ihr den rechten Daumen ab«, befahl Varmer seelenruhig. Seine Männer stießen das Mädchen ins Unterholz. Einer hielt ihr den Mund zu, ein zweiter kniete auf ihr, ein dritter setzte die Klinge an. Meralda stöhnte und röchelte und das Blut schoss aus dem Stumpf an ihrer Rechten.
    »Wie viele?«, zischte Varmer. Das Mädchen jammerte und stammelte unverständliches Zeug. Sein Vater saß mit blutender Nase im Gestrüpp und starrte ungläubig auf die Wunde an der Hand seiner Tochter.
    »Wenn du nicht reden willst, sollst du wenigstens einen Grund dafür bekommen«,

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