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306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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sagte Varmer, ohne die Stimme zu heben. »Schneidet ihr die Zunge raus.«
    Die Männer rissen das Mädchen hoch, drückten ihr den Kopf in den Nacken und hebelten ihr die Zähne mit einem Schwert auseinander. »Nein!«, rief der Vater. »Um Wudans Willen! Tut ihr nichts mehr, ich sage alles!«
    »Wie viele?«, wandte Varmer sich nun an ihn.
    »Neunzehn, aber ein Dutzend der anderen können mit Spießen, Jagdbogen und Kanonen umgehen...«
    Harold verriet, was immer der stellvertretende Chefexekutor wissen wollte: Wer wo in der Burg schlief, wie viele Männer nachts Wache schoben, wo die Waffenkammer lag, was für Räume hinter den vergitterten Fenstern des großen Burghauses lagen, dass der Burgherr noch immer auf sich warten ließ und dass die Burgdame erst kürzlich einen kleinen Jungen geboren hatte.
    Varmer ließ Vater und Tochter in den Wald hinein schleppen. Auf den Knien bettelten die beiden dort um Gnade. Doch der stellvertretende Chefexekutor zog sein Schwert und spaltete erst dem Mädchen den Schädel und danach seinem fassungslosen Vater.
    Zurück im Unterschlupf der Haupttruppe wandte er sich an seine Kämpfer. »Im Morgengrauen rücken wir auf Canduly Castle vor«, erklärte er ihnen. »Wenn wir die Burg eingenommen haben, läuft es ein wenig anders als sonst. Wir töten nämlich nur die Bewaffneten. Ist das klar?« Er blickte in die Runde und wartete, bis auch der letzte seiner Kämpfer den Befehl wiederholt hatte. »Die anderen brauchen wir noch«, fuhr er danach fort. »Kann nämlich sein, wir müssen eine Zeitlang in der Burg auf den warten, den der Meister haben will.«
    ***
    Ende Juli stach die Eibrex IV in See.
    Sie standen an der Backbordreling nahe des Bugs und blickten auf die sich langsam entfernende Küste: Jenny Jensen, Sir Leonard, Pieroo, Steintrieb, das Paar vom Mars und viele Leute aus Corkaich und Guernsey; alle Männer und Frauen, die sonst nichts Dringenderes zu tun hatten an Bord. Rulfan beobachtete sie vom Ruderhaus aus, wo er hinter dem Steuer stand.
    »Da bleibt es zurück, dieses unselige Stück Erde«, sagte Gonzales. Wie meist, trug er sein Exoskelett. Der Marsianer saß im Kapitänssessel; Rulfan hatte ihm die Verantwortung für die Navigation übertragen. Faktisch war er der Kapitän. »Man würde es gern vergessen, aber ich fürchte, ich werde mein Leben lang an diesen Ort meiner größten Schande denken.«
    »Ja«, sagte Rulfan. »Wird nicht einfach, diese Niederlage wegzustecken.« Er dachte an seinen Vater. »Für Sie alle nicht.«
    Die Marsianer hatte ja nicht nur als mental entmündigte Sklaven Hütten gebaut und das Bohrloch zu Mutters Ursprung vorangetrieben – zuvor war auch noch ihr Raumschiff in einer Notlandung abstürzt. Nur ein ausgeschlachtetes Wrack war die CARTER IV noch. Auch sie blieb mit der Ostseeküste zurück.
    Anders allerdings als der arme Gonzales, würde Rulfan dieses Wrack in guter Erinnerung behalten. Bei ihm hatte er Meinhart Steintrieb kennengelernt.
    Unten an der Reling löste sich die Gruppe Menschen nach und nach auf. Rulfan sah Meinhart zur Luke schaukeln, die in die Laderäume und in die kleine Werkstatt führte, die er sich unter Deck eingerichtete hatte. Mit einer verstohlenen Geste wischte er sich die Augen aus, bevor er aus Rulfans Blickfeld verschwand.
    Abschiedsschmerz. Was denn sonst? Der Mann rührte Rulfan – seit Jahrhunderten lebten seine Vorfahren hier an der Ostseeküste und nun gab er für ihn und seine Pläne die Heimat auf. Das musste man sich einmal vorstellen! Tiefe Dankbarkeit erfüllte ihn.
    Rulfan konnte Meinharts Schmerz gut verstehen. Wie oft hatte denn er selbst Orte verlassen, in denen er glaubte, zuhause zu sein? Meinhart Gefühle nachzuvollziehen gelang ihm besser, als sich in die ehemaligen Versteinerten hineinzuversetzen.
    Wie mochte es sein, seines Willens beraubt einem mentalen Tyrannen zu dienen? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er nicht in der Haut dieser bedauernswerten Männer und Frauen stecken wollte. Am allerwenigsten in Jennys Haut, die unter Mutters mentaler Knute sogar den Tod ihrer eigenen Tochter mit verursacht hatte.
    Noch immer stand sie unten an der Reling neben ihrem haarigen Gefährten. Pieroo legte gerade den Arm um sie, zog sie an sich und küsste sie auf die Schläfe. Jenny lehnte sich gegen ihn.
    Rulfan sah es gern. Am Tag zuvor hatte sie gelächelt – das erste Lächeln, das er auf ihrem Gesicht entdeckte, seit er sie wiedergesehen hatte.
    Vielleicht würde sie den Schock doch

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