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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vorlesen, alle zusammen! Ihr lest von links nach rechts; wir lesen von rechts nach links, und die Chinesen lesen von oben nach unten. Wie soll ich anfangen? Oben oder unten? Hinten oder vorn?“
    „Fang an, wo du willst, aber nur jetzt nicht!“ lachte ich. „Übrigens, sprich mit mir, in welcher Sprache du willst, aber nur vernünftig!“
    Da nickte er schnell vor sich hin und meinte:
    „Das ist mir lieb, denn ich habe dir etwas zu sagen, was sehr vernünftig ist.“
    „Was?“
    „Darf ich reden, ohne daß du es mir übelnimmst?“
    „Ja.“
    Da legte er die braunen Hände zusammen, schaute mir mit seinen dunklen, ehrlichen Augen in das Gesicht, lächelte ein wenig verlegen dazu und sprach:
    „Ich habe in der letzten Zeit viel, sehr viel nachgedacht, erstens über dich und zweitens über mich.“
    „Nun, hast du da etwas gefunden?“
    „Ja.“
    „Was?“
    „Du bist nicht das, was du bist, und ich bin nicht das, was ich bin, sondern du bist das, was ich bin, und ich bin das, was du bist.“
    „So? Das klingt allerdings sehr schön und ist jedenfalls noch viel schöner, als es klingt; aber sag mir vorerst einmal: Wer bist denn eigentlich ich, und wer bin denn nachher du?“
    „Du scherzt, Sihdi, mir aber ist es ernst! Höre, was ich meine! Ich bin kein Moslem, und du bist kein Christ.“
    „Oho!“
    „Ja, so ist es! Sondern du bist der Moslem, und der Christ bin ich! Ich bitte dich, Sihdi, werde nicht darüber zornig, und lache mich aber auch nicht aus. Es ist so, wie ich sage, wenn auch etwas anders. Es gibt etwas dabei, was ich noch nicht begreife. Denn wenn ich mir ganz dasselbe auf die andere Seite hinüberdenke, so bist du immer noch der wirkliche Christ, und ich bin immer noch der wirkliche Anhänger des Propheten. Aber es gibt noch eine dritte Seite, welche diese Sache noch viel verwickelter macht. Denn wenn ich uns von ihr aus betrachte, so sind wir weder Christen noch Mohammedaner, sondern Heiden.“
    „Das klingt sehr schlimm, Omar!“
    „Laß es klingen wie es will; schlimm ist es nicht, denn – – –“ er hielt nachdenklich inne und fuhr dann fort: „Wie war das nur, was sie zu mir sagte? Das war kurz, ehe sie ging.“
    „Wer?“
    „Sie, die – die – ach, das weißt du ja noch nicht! Nämlich ich war in meiner Stube da vorn und hatte die Tür offen. Da wollte etwas Weißes an mir vorüber. Als es mich sah, blieb es stehen und kam dann näher, herein in meine Stube, um mich anzusehen. Ich wußte nicht, was es war.“
    „Natürlich eine Frau!“
    „Ja, ein Mann war es nicht, ob aber eine Frau oder ein Mädchen, das war nicht gleich so gewiß, wie du zu denken scheinst. Ich sah einen Schmuck von Rosen und Veilchen und ein ganz unbeschreibliches Angesicht; das hatte den Anschein, wie gar nicht von der Erde. Und da sprach es zu mir. Ich aber stand mit offenen Augen und mit offenem Mund und antwortete nicht, denn ich hörte die Worte nicht, weil ich nur auf den köstlichen Klang der Stimme achtete. Es war, als ob ein Bülbül (Nachtigall) sänge, im Schatten einer unter Palmen stehenden Moschee, ganz absonderlich, beinahe heilig! Ich weiß, daß es bei den Christen heilige Frauen gibt, die gestorben sind und als Seele manchmal wieder auf die Erde kommen. War das, was so da vor mir stand, eine solche Seele oder gar ein Engel? Natürlich wollte ich diese Frage bloß nur denken; aber ich habe sie wirklich angesprochen, denn ich weiß noch, daß ich über den Klang meiner Stimme erschrak, der gegen den der ihrigen ganz unaussprechlich häßlich war. Ich kann mich auch nicht erinnern, in welcher Sprache ich es gesagt habe; aber ich bin ganz gut verstanden worden, denn es kam ein Lächeln, als ob es plötzlich lauter Sonnenschein und Fröhlichkeit auf Erden gebe, und dann die Worte, die ich meine. Ich könnte sie dir höchstwahrscheinlich ganz genau sagen, wenn ich mich eben auf die Sprache besinnen könnte, in welcher dieser Engel oder diese Seele zu mir geredet hat. Es war kürzer, viel, viel kürzer, aber es wird ungefähr so gewesen sein: Die Rassen und Religionen sind verschieden, die Menschenherzen aber sind alle eins und einig. Ich weiß nicht, ob du mich nun verstehst, mich und die Seele, die zu mir in meine Stube kam.“
    „Ich verstehe euch, dich und sie. Weißt du denn nun, wer es war?“
    „Ich denke es mir. Sie ging von mir nach dem Zimmer des Governor, aus welchem du dann kamst. Nach einiger Zeit verließ sie es mit ihm; da ging ich hierher, um mich in deiner Wohnung

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