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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fast immer sehr bezeichnend.
    ‚Seine Exzellenz, der Europäer‘ lag hart am Ufer an und zwar mit ihm durch ein Laufbrett verbunden. An diesem standen zwei Männer, welche nicht anders gekleidet waren als andere Leute auch und je ein dünnes, weißes Stäbchen in der Hand hatten, an dessen Ende sich eine Betelnuß befand. Vis-à-vis von dem Dampfer war am Land ein Zelt errichtet, vor welchem eine Menge von Opium in allen seinen Gestalten und Zubereitungen nebst den zum Essen und Rauchen dieses Giftes nötigen Gegenständen zum Verkauf ausgelegt worden waren. Dabei hockte am Boden wohl ein Dutzend sonnverbrannter, bis an den Hals bewaffneter Kerls, denen man die Führung irgendeines berüchtigten Handwerks gleich beim ersten Blick ansehen konnte. Vor ihnen aber standen auch zwei Männer mit eben solchen Arekastäben wie dort am Laufbrett ‚Seiner Exzellenz, des Europäers‘. Sonst aber war nichts zu sehen, was auf irgendein nicht ganz alltägliches Vorkommen schließen ließ. Indem wir vorübergingen, fragte der ‚Uncle‘ den Beamten:
    „Das ist jedenfalls das Giftmischerschiff mit seinem Verkaufsstand. Ich vermute, daß Ihr beide bewachen laßt. Sind die Männer mit den Stäben etwa Polizisten?“
    „Ja“, antwortete der Hafenmeister.
    „Natürlich heimlich bewaffnet, mit Revolvern oder so etwas?“
    „Nein.“
    „Nicht? Aber die Polizei muß doch eine Waffe haben, um sich Respekt zu verschaffen!“
    „Das ist bei uns nicht nötig. Wir achten sie und ehren sie, ohne daß sie unser Leben zu bedrohen braucht. Eigentlich gibt es bei uns gar keine Polizei. Bei denen, die zur großen Brüderschaft der ‚Shen‘ gehören, sind Zwangsmaßregeln niemals nötig. Ein jeder liebt und respektiert den andern so, daß man keinen Menschen kennt, der irgendeines Schutzes gegen andere Menschen bedarf. Nur wenn es sich, zum Beispiel so wie hier, um Fremde handelt, kann es einmal zu jener Strenge kommen, deren sich jede zivilisierte Nation eigentlich zu schämen hat. Dazu brauchen wir aber nicht einen besonders besoldeten, besonders geschulten und besonders ausgerüsteten Stand, sondern es genügt jedermann, der sich am Platz befindet. Er bekommt das weiße Stäbchen in die Hand und damit die gesetzliche Macht, die für den betreffenden Fall vonnöten ist.“
    „Hm! Da bin ich still! Aber es geht so ruhig zu! Kein Auflauf, keine Ansammlung von Menschen! Käme bei uns ein Fall derartiger Maßregelung eines Schiffes vor, so stände der ganze Platz hier so voller Manns- und Weibsleute, daß man gar nicht hindurch könnte. Hier aber scheint niemand etwas davon zu wissen.“
    „Da irrt Ihr, Sir, denn jedermann weiß es; aber ist es etwa ehrenhaft, sich um irgendeinen Schurken extra zu bekümmern? Ist er schuldig, so schämt man sich dann, ihn überhaupt beachtet zu haben, und ist er unschuldig, so bereut man es, ihn mit zudringlichen Blicken gekränkt zu haben. Fühlt Ihr nicht, Sir, daß es so am richtigsten ist, wie es hier bei uns gehalten wird?“
    „Alle Wetter! Ob ich das fühle! Wenn das so weitergeht, so rede ich bloß noch englisch, sonst aber bin ich durch und durch chinesisch! – – – Was ist das für ein Haus und was für eine Schrift über der Tür?“
    Er deutete nach dem Gebäude, auf welches wir zuschritten.
    „Das ist mein Kung-So (Amtsbüro)“, antwortete der Hafenmeister. „Die Schriftzeichen sind Kung-Tao zu lesen, was so viel wie ‚Gerechtigkeit‘ bedeutet. Daß man sie in Wirklichkeit auch findet, wenn man sie hier bei mir sucht, dafür habe ich zu sorgen. Tretet ein, ganz so, wie es Euch gefällt! Man liebt es hier nicht, die Gäste mit überflüssigem Zeremoniell zu belästigen.“
    Wir kamen durch einen geräumigen Vorplatz in einen Raum, den ich nach heimischen Begriffen als ‚Wartezimmer‘ bezeichnen möchte. Da saß der Mann, wegen dem der Hafenmeister geholt worden war. Er machte keine Bewegung, uns zu grüßen. Wir gingen in die große Stube nebenan, wo mehrere Schreiber saßen, und kamen dann in das eigentliche Dienstgemach des Pu-Schang, an welches eine Veranda stieß, deren Tür jetzt offenstand. Nachdem wir Platz genommen hatten, ließ der Beamte den Wartenden durch einen der Schreiber zu sich bescheiden.
    Als er hereinkam, grüßte er nun allerdings, aber nur ganz flüchtig, und setzte sich sogleich nieder, ohne dazu aufgefordert zu sein. Er war chinesisch gekleidet, aber sicher ein Mischling aus dem hinterindischen Süden, mit einem sonnverbrannten und von den Leidenschaften

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