31 - Und Friede auf Erden
gesprochen.“
Da öffnete der Governor den Mund, um zu sprechen, sagte aber nichts, sondern schaute mir eine ganze Weile lang kopfschüttelnd in das Gesicht, versetzte mir dann einen Rippenstoß und ließ sich endlich hören:
„Ein ganz unbegreifliches Land! Und ein ganz unbegreifliches Volk! Da ist man immerfort blamiert, und niemals hat man recht! Aber eben das ist es, was mir gefällt! Daheim läßt man sich immerfort in seiner eigenen, wundervollen Soße braten und glaubt, so appetitlich zu duften, daß jedermann aufs schnellste anzubeißen habe; hier aber wird man vorerst ganz windelweich geklopft und dann, wenn man grad anfangen will, zu braten und zu duften, als unbrauchbar zum Küchenfenster hinausgeworfen, mitsamt der Kasserolle! Ich kann Euch sagen, lieber Freund, daß mir das imponiert! Es ist gar nicht so ungefährlich, als ‚besserer‘ Europäer, sozusagen, mit einem ‚besseren‘ Mongolen zusammenzutreffen, weil man da fast stündlich in die Lage kommt, sich selbst für den Mongolen halten zu müssen. Kaum habe ich Unglücksmensch behauptet, daß der Baumeister ganz unmöglich ein Chinese sein könne, so – – –“
Der Fluß seiner Rede wurde von einem Unterbeamten des Pu-Schang unterbrochen, der seinen Vorgesetzten gesucht und im Vorübergehen hier bei uns gesehen hatte. Er kam an Bord, sprach mit ihm und entfernte sich dann wieder, worauf der Hafenmeister uns fragte, ob wir wohl Zeit und Lust hätten, einer für uns wahrscheinlich interessanten Verhandlung beizuwohnen. Von uns befragt, welcher Art sie sei, erklärte er:
„Noch einige Stunden vor Euch kam heute früh ein Huo-Lun-Tschuan (Dampfer, wörtlich: ‚Feuer-Rad-Schiff‘) hier bei uns an, dessen Führer sich in größter Unbefangenheit als Opiumverkäufer melden ließ. Ich erteilte den Bescheid, daß dieser Verkauf hier nicht gestattet werde, worauf er mir antworten ließ, daß er sich zwar anzumelden, aber nicht um irgendeine Erlaubnis zu fragen habe; er werde hier feilhalten und verkaufen, solange es ihm beliebe. Wer die verhängnisvolle Wirkung dieses Giftes und unsere chinesischen Verhältnisse kennt, der weiß, warum ein solcher Mensch sich erlaubt, in diesem Ton zu uns zu reden, wird es aber auch begreiflich finden, daß es mir hier auf Ocama gar nicht einfallen kann, irgendeine Schwäche zu zeigen. Ich habe zu tun, was mir unsere ‚Shen‘ befiehlt, gab meinen Leuten die nötigen Befehle und ging dann hinauf zum großen Mandarin, um ihm den Fall zu melden. Er war mit meiner Auffassung dieser Angelegenheit vollständig einverstanden. Als ich von ihm ging, traf ich Euch. Mein Diener glaubte, ich sei noch oben, sah mich aber, als er hier vorüberging, mich zu holen, bei Euch stehen. Man hat dem Händler Einhalt getan, und er wartet nun in meine Büro auf mich, um seine Beschwerde anzubringen und Genugtuung zu fordern.“
„Und da sollen wir mit?“ fragte der Governor.
„Ja, wenn Ihr diesen Fall für würdig haltet, Euch mit ihm zu befassen.“
„Ganz selbstverständlich, ganz selbstverständlich! Das erinnert ja an den famosen Opiumkrieg, an Kapitän Elliot und Admiral Kuang mit seinen neunundzwanzig Kriegsdschunken, an die zwanzigtausend Kisten mit Opium, die in das Wasser geworfen wurden, obgleich sie vier Millionen Pfund Sterling kosteten!“
„Um solche Größen und Ziffern handelt es sich heut und hier wohl nicht“, lächelte der Pu-Schang; „aber wenn ich damals der Kaiser Tao-Kuang gewesen wäre, ich hätte mich sicher nicht anders benommen, als ich mich jetzt benehmen werde!“
Wir verließen also die Jacht und ließen uns von ihm zu sich führen. Unsere ‚Yin‘ lag an dem ‚Platz der Einheimischen‘, der sich durch größere Ruhe und Vornehmheit auszeichnete. Das Schiff des Gifthändlers war am ‚Platz der Fremden‘ vor Anker gegangen, und wir mußten an ihm vorüber, um nach dem Büro des Hafenmeisters zu kommen. Wir sahen, daß es ein kleiner Küstendampfer war, stumpf auf den Kiel gebaut, um keinen großen Tiefgang zu haben und überall anlegen zu können. Er war auch mit Mast- und Leinenzeug versehen, konnte also zur Dampfkraft auch noch den Luftdruck fügen, und führte den Namen Ta-Shen-Tsi-Yang-Shen. Die Schriftzeichen dieser fünf Silben waren zu beiden Seiten des Bugs angebracht. Sie heißen zu deutsch ‚Seine Exzellenz, der Europäer‘. Solche und ähnliche Bezeichnungen kann man in den Häfen des Ostens sehr oft sehen oder hören; sie sind zwar nicht nach unserem Geschmack, aber
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