31 - Und Friede auf Erden
eine Idee, die eigentlich lächerlich ist, mir aber keine Ruhe läßt. Ich muß hinunter, unter Umständen bis auf den nackten Kiel!“
Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, daß die Stufen, welche in den Ballastraum führten, mit schweren Kisten zugedeckt worden waren. Wir riefen die Polizisten herbei und ließen die Kisten beiseite schieben. Wer kam da aus dem dunkeln, mit stickiger Luft gefüllten Raum hervorgestiegen? Mein Sejjid Omar! Und nun es sich bewahrheitete, konnte ich, ohne mich zu blamieren, sagen, daß ich das erwartet hatte. Wie ich ihn kannte, wäre er von Dilke weg sofort zu mir geeilt gekommen, um mir zu sagen, daß er diesen Patron hier getroffen habe. Und hätte er mich nicht oben auf dem Berg angetroffen, so hätte er den ganzen Hafenort durchsucht, um mich zu finden. Daß dies nicht geschah, ließ mich vermuten, daß er daran gehindert worden sei, was nur auf gewalttätige Weise geschehen sein konnte, zumal Dilke ja leugnete, ihn gesehen zu haben. An einen Mord zu denken war mir allerdings nicht eingefallen; für solche Taten hatte sich die Situation noch nicht zugespitzt; aber irgendeine Teufelei, um sich für Penang zu rächen, das war diesem Dilke unbedingt zuzutrauen, und man sah nun ja, ich hatte mich nicht geirrt.
Als Omar herauskam und zunächst stehen blieb, um tief und lang die bessere Luft zu atmen, fragte ich ihn:
„Hast du Angst gehabt, Sejjid?“
„Nein, keine Spur“, antwortete er. „Ich kenne dich ja, Sihdi. Wen du liebhast, den verlassen deine Gedanken keinen Augenblick, und was du nicht sehen und hören kannst, das läßt Allah dich ahnen. Ich wußte also, daß du kommen werdest. Ich habe dir schnell zu erzählen, wie ich da hineingekommen bin, und dann muß ich rasch hinauf zu Fu, um ihm zu sagen, daß eine Empörung gemacht werden soll und daß man des Nachts bei ihm einbrechen will, um nach den vielen Millionen zu forschen, welche einer gewissen Frau ‚Shen‘ zu gehören scheinen.“
„So komm vor allen Dingen herauf an das Tageslicht und an die frische Luft; da kannst du reden.“
Wir stiegen an das Deck, wo wir uns niedersetzten. Er erzählte in der ihm eigenartigen Weise:
„Ich wollte mir, wie überall, wohin ich mit dir komme, diese Stadt und den Hafen ansehen, um dir antworten zu können, wenn du mich nach etwas fragst. Darum ging ich fort. Unterwegs begegnete mir ein Chinese, der beinahe erschrak, als er mich erblickte. Da ich aber China sehr gut kennengelernt habe, so konnte mich seine Verkleidung nicht täuschen, und ich sah sogleich, daß es der Engländer Dilke war, wegen dem ich der gute Bekannte des englischen Generals und seines ganzen Harems geworden bin. Er wollte sehr schnell an mir vorübergehen, doch sah ich, daß er sich besann; es fiel ihm etwas anderes ein. Er grüßte mich höflich; darum war ich auch nicht grob. Er fragte mich, wohin ich wolle; ich sagte es ihm, und da kam ihm der Wunsch, mit mir zu gehen, denn er kannte die Stadt auch noch nicht, weil er ebenso wie wir erst heut gekommen ist. Ich sage dir, Sihdi, wir wurden gute Freunde, sehr gute Freunde, und gewannen einander außerordentlich lieb; aber es fiel mir gar nicht ein, Vertrauen zu ihm zu haben und ihm alles zu glauben, was er mir sagte. Wir gingen überall miteinander herum, und dabei redete er immerfort. Am liebsten sprach er von einer mir sehr unbekannten Person, die jedenfalls eine Frau oder ein Mädchen ist, denn er nannte sie niemals ‚er‘, sondern immer nur ‚sie‘. Sie heißt ‚Shen‘ und ist ungeheuer reich. Sie hat viele, viele Millionen, und die liegen entweder an drei verschiedenen Orten oder nur an einem von diesen dreien. Kannst du dir das denken, Sihdi?“
„Ich ahne es. Erzähle nur weiter!“ forderte ich ihn auf.
„Der eine Ort ist oben, wo wir wohnen, bei Fu. Den nannte er aber anders, mit einem berühmten, chinesischen Namen. Im Parterre unseres Hauses sind die Stuben für die Schreiber, die immer fortwährend an diese ‚Shen‘ schreiben und auch immer wieder Briefe von ihr bekommen, denn unser Fu ist das Oberhaupt dieser Frau oder dieses Mädchens. Wer einige von diesen Briefen lesen könnte, der würde sogleich erfahren, an welcher Stelle die Millionen zu finden sind. – Der zweite Ort ist eine Stadt, die Shen-Fu heißt und gar nicht weit von hier zu liegen scheint. Und nun denke dir, Sihdi, in dieser Stadt ist unser Englishman, John Raffley, Bürgermeister und hat da ein Büro. Da sitzt er mit einem alten, weißhaarigen Pfarrer
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