31 - Und Friede auf Erden
mich in diesen Zeilen bediene! Ich konnte nicht anders, ich mußte laut lachen, mehr über sein Gesicht als über seine Worte. Das entzückte ihn. Er sagte:
„Sihdi, ich sehe, wie sehr du dich freust. Ich habe in diesen drei Tagen und zwei Nächten die ganze englische Sprache auswendig gelernt. Ob du diese Sprache auch verstehst, das ist nun ganz egal. Ich werde für dich reden!“
Das war so seine selbstbewußte, selbstvertrauende Weise. Mir machte die Sache in der ersten Zeit Spaß; aber je länger, desto mehr erstaunte ich. Er machte Fortschritte, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Wo er eines Engländers habhaft werden konnte, der nicht allzu hoch über ihm stand, den hielt er fest, um sprachlich von ihm zu profitieren, und als ich ihm seine Bitte erfüllte, möglichst nur englisch mit ihm zu sprechen, fand ich täglich Gelegenheit, sein unvergleichliches Wortgedächtnis zu bewundern. Nebenbei merkte er sich jedes Wort jeder anderen Sprache, welches ihm vor die Ohren kam. Er saß stundenlang an einer Stelle still, immerfort die Lippen bewegend und sich unausgesetzt übend, um das, was er sich einmal angeeignet hatte, ja nicht wieder zu vergessen. Wenn ich an Hauptorten mit Europäern zusammentraf und in deren Sprache mit ihnen verkehrte, so machte er sich sicher in unsere Nähe, um einige Worte aufzufangen und mich dann über die Bedeutung derselben auszufragen. Und was er so erfuhr, vergaß er nie.
Ganz eigenartig war seine Geschicklichkeit, seinen immer wachsenden Sprachschatz in Anwendung zu bringen. Es geschah das ohne jedes Gesetz und jede Regel, aber in einer Weise, welche mich oft heimlich staunen ließ. Mit Etymologie und Syntax freilich durfte ich ihm nicht kommen. Wenn ich von der Abstammung eines Wortes oder von den Teilen eines Satzes sprach, wehrte er mit beiden Händen ab und sagte:
„Ich esse nicht zwei Datteln auf einmal, sondern eine nach der anderen. So spreche ich auch nicht zwei Worte auf einmal, sondern eines nach dem anderen. So ist es bei uns in der arabischen Sprache, außer welcher es keine richtige gibt, und also darfst du nicht von mir verlangen, daß ich bei einem Wort gleich an mehrere andere denken soll. Sie kommen alle ganz von selbst, und du brauchst keine Angst zu haben, daß ich eins vergesse!“
Seine Liebe zu mir war der Grund, daß für ihn meine Muttersprache gleich nach der seinigen rangierte, und so war seine Freude groß, als ich ihm für einen mir geleisteten Extradienst die belohnende Mitteilung machte, daß ich ihn von jetzt an täglich eine Stunde in der deutschen Sprache unterrichten würde. Die Folge zeigte, daß ich mir keinen besseren Schüler wünschen konnte. Er gab sich die größte Mühe, nach seiner Rückkehr mit den deutschen Touristen deutsch sprechen zu können. Freilich ging er auch hier in einer so regellosen Weise mit den Redeteilen um, daß Wort- und Satzbildungen zum Vorschein kamen, welche um so lächerlicher waren, je größere Wichtigkeit er der ernsten Würde gab, mit welcher sie ausgesprochen wurden.
Seine in Kairo, ehe ich ihn engagierte, in Beziehung auf die Religion ausgesprochenen Wünsche hatte ich respektiert. Ich sprach kein Wort vom Christentum zu ihm, und wenn er einmal, was ja unvermeidlich war, eine sich auf seinen Islam beziehende Bemerkung machte, so ging ich schweigend über sie hinweg. Dies kam in seinen Augen einer Mißachtung seiner Religion gleich und wurde von ihm nach und nach immer mehr als eine Strafe empfunden, welche er verständigerweise als eine unausbleibliche Folge seiner damaligen Bitte zu betrachten schien. Es war mir oft, als ob er in dieser Hinsicht etwas auf dem Herzen habe, und er setzte auch zuweilen an, es mir zu sagen, kam aber nicht dazu, weil ihm solche Gelegenheiten von mir aus guten Gründen stets kurz abgebrochen wurden. Das Zusammenleben mit mir hatte bei ihm die unausbleiblichen Wirkungen hervorgebracht, denn es war ganz selbstverständlich, daß gewisse Anschauungen von mir auf ihn übergehen mußten. Ich ließ das geschehen, ohne ihn darauf aufmerksam zu machen. Es kam immer mehr vor, daß er eines der vorgeschriebenen Gebete ausfallen ließ, weil ihn etwas hinderte, was er früher auf keinen Fall als Hindernis betrachtet hätte. Er unterließ es, die Vorzüge seines Glaubens in der ehemaligen Weise zu betonen, und die Masbacha (mohammedanischer Rosenkranz), welche er früher in müßiger Zeit stets in den Händen gehabt hatte, war jetzt nur sehr selten noch zu sehen. Ich nahm diese
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