Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Fortsetzung der heutigen Fährlichkeit zu befürchten hatte.
    Was meinen Besuch betraf, so sollte er nicht im kleinen, dumpfen Zimmer sitzen. Ich ließ einen Tisch mit Stühlen hinaus vor die Tür bringen, um die Genugtuung zu haben, ihnen das Beste zu bieten, was Gizeh demjenigen Besucher bieten kann, welcher das geistige Auge und die seelische Empfänglichkeit dafür besitzt: den von den anderen Gästen nicht gestörten Anblick der Pyramiden beim Mondschein.
    Als die beiden Erwarteten kamen, führte ich sie hinaus, und sie waren herzlich gern damit einverstanden. Der Mond war eben erschienen, und die ernste, schwere Poesie des ägyptischen Altertums stand aus den Gräbern auf, um bleich, doch nächtlich schön von den Riesenbauten vergangener Jahrtausende auf uns, die winzigen Gäste der Gegenwart, herabzuschauen.
    Die Chinesen hatten wohl nur einen kurzen Höflichkeitsbesuch beabsichtigt, aber der Eindruck, dem sie sich nicht entziehen konnten, war so gewaltig und so fesselnd, daß sie gar nicht daran dachten, diesen besten Platz, den das Menahouse-Hotel besitzt, so bald wieder zu verlassen. Und mir wurde außerdem die Freude, daß sie, als ich ihnen den Wunsch des Amerikaners mitteilte, mir die Erlaubnis gaben, nicht nur ihn, sondern auch seine Tochter zum Kommen aufzufordern.
    Dann saßen wir wohl bis über Mitternacht beisammen, China, die Vereinigten Staaten und Deutschland, oder Asien, Amerika und Europa, in Eintracht und Frieden auf afrikanischem Boden, von allem Guten, Edlen, Schönen und Erhabenen sprechend, aber nicht vom Unterschied der Religionen, von den Gegensätzen der Volksinteressen und von dem Vortrittsrecht besonderer Nationalitäten. Es war ein Abend, den ich nie vergessen werde, und als wir uns trennten, taten wir es in dem Bewußtsein, daß alle Menschen so zusammengehören, wie wir in diesen unvergleichlichen schönen Stunden sowohl äußerlich wie auch innerlich vereint gewesen waren.
    Dem Amerikaner drückte ich ganz besonders warm die Hand. Er war so rücksichtsvoll, so mild, so weich gewesen und nicht ein einziges Mal in seinen schnarrenden Ton gefallen.
    „Es klingt so aus, wie ich es wünschte“, flüsterte mir seine Tochter zu. „Ich segne die, die heut durch diese Steine so gewaltig und doch so lieb, so wunderbar zu uns gesprochen haben. Jawohl, es ist gewiß und sicher so: Der Tote ist nur dann und darum tot, wenn und auch weil er niemand hat, zu dem er sprechen kann!“
    Am anderen Morgen waren die Pilger fort, und der Ritt nach Sakkara wurde ein ganz anderer, als ich ihn geplant hatte. Wir fünf schlossen uns zusammen; ein Dolmetscher wurde nicht mehr gebraucht, und mein Sejjid Omar war ganz stolz darauf, der einzige zu sein, der uns bediente.
    So wurde es auch nach unserer Rückkehr nach Kairo gehalten. Wir machten alle Ausflüge gemeinsam, bis ich mich als der erste gezwungen sah, zu scheiden. Meine Vorbereitungen waren getroffen; es zog mich nilaufwärts, dem Sudan zu.
    Als ich den festen Entschluß kundgab, übermorgen abzureisen, machte Fu den Vorschlag, den letzten Abend wieder bei den Pyramiden zuzubringen, und wir anderen stimmten alle bei. Das Hotel war nicht sehr besetzt, und so bekamen wir leicht dieselben Zimmer, welche wir bei unserer vorigen Anwesenheit gehabt hatten. Das Abendbrot nahmen wir auf der hohen Düne vor meiner Wohnung ein.
    Der Mond schien dieses Mal nicht; aber das magische Licht der Sterne zeigte uns die Flächen und Konturen der Pyramiden in jener Schärfe, in welcher grad das irdisch Große vom Himmel abzustechen pflegt, und ließ sie also in einer ganz anderen, ernsteren Sprache zu uns reden, als diejenige war, in welcher sie jüngst zu uns gepredigt hatten.
    Es war keineswegs meine Absicht, in die Geheimnisse der beiden ebenso hochgebildeten wie liebenswürdigen Chinesen einzudringen, aber eine Äußerung Fus gab mir Veranlassung, anzunehmen, daß er Diplomat sei. Und Tsi sprach, wenigstens zu uns, ganz aufrichtig davon, daß er längere Zeit erst in Berlin und dann auch in Paris studiert habe, um die Anschauung des Westens mit derjenigen des Ostens vergleichen und über das Verhältnis beider zueinander zu einem klaren Resultat kommen zu können. Er hatte sich besonders, wie auch daheim, mit der Heilkunde beschäftigt; sein Lieblingsfach aber war Psychologie.
    Wie kam es wohl, daß Waller, seit er mit uns verkehrte, sein Lieblingsthema fast gar nicht mehr berührte? Er schien vollständig vergessen zu haben, daß es Heidentempel gebe, welche zu

Weitere Kostenlose Bücher