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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mein früheres, und dieses war noch unbesetzt. Der Sejjid konnte allerdings keinen Raum zum Schlafen bekommen, doch durfte er sich am Tage zu meiner Bedienung beliebig im Hause aufhalten. Die Verwaltung hatte infolge der erwähnten Erfahrung ganz berechtigterweise verboten, arabische Diener für die Nacht zu behalten, und meinem islamstolzen Omar konnte es nach seinem verächtlichen Urteil über die ‚Götzenanbeter‘ gar nichts schaden, wenn er hier die Beobachtung machte, daß diese Buddhisten erfahrungsgemäß den Mohammedanern vorzuziehen seien. Ich erklärte also, daß ich hierbleiben und das Zimmer nehmen werde. Omar konnte in dem ‚Pettah‘ genannten Eingeborenenviertel wohnen, wo ein mir bekannter Deutscher ein Hotel niedrigeren Ranges besaß. Dort gab es für ihn übrigens auch mehr Gelegenheit zu den ihm so am Herzen liegenden Sprachstudien als hier im Grand Oriental-Hotel. Der Portier erhielt für das, was er von des Sejjid Strafpredigt verstanden hatte, als Entschädigung ein Trinkgeld, welches er mit einer Miene zu sich steckte, die mir deutlich sagte, daß er mich von diesem Augenblick an trotz des arabischen Dieners für einen ‚Gentleman‘ halte.
    Mein Raum lag auch hier zwei Treppen hoch, nicht nach der See oder nach der Straße, sondern nach dem Hof zu, bei dessen Anblick mich das Gefühl überkam, daß ich nach langer Zeit nun wieder einmal zu Hause sei. In diesem Hof kannte ich jeden, auch den kleinsten und verborgensten Winkel, obgleich ich ihn nie betreten hatte. Er war der Bereich der interessantesten ethnographischen Studien gewesen, welche ich von meinem hochgelegenen Söller aus hatte machen können, denn er wurde teils vom Hotel, teils von Geschäftshäusern eingeschlossen und stand mittels breiter Durchgänge mit den Straßen in Verbindung. Es gab ein immerwährendes Kommen von Gestalten aller Farben und aller Sorten. Am interessantesten war mir ein Tamile gewesen, dessen linkes Bein im Beginn der Elephantiasis gestanden hatte und – – – siehe da, kaum war ich jetzt in das Zimmer getreten und warf nach so langer Zeit den ersten Blick hinab in den Hof, da kam dieser Tamile aus dem hinteren Winkel herbeigehumpelt, älter als damals, doch ganz dasselbe verdrossene Gesicht und ganz derselbe trockene Husten, den er früher schon hatte. Aber die Geschwulst hatte jetzt das ganze Bein bis herauf an den Leib ergriffen und war so stark geworden, daß man sich keiner Übertreibung schuldig machte, wenn man sagte, daß dieser arme Teufel ein Menschen- und ein Elefantenbein besitze.
    Im Zimmer standen derselbe hohe Tisch und dasselbe Bett mit Messinggestell und Fliegennetz, daneben die zwei niedrigen Serviertische, an denen man den Kaffee oder Tee einnimmt. Draußen auf dem Söller gab es noch denselben langen, bequemen, indischen Ausstreckstuhl, welcher vorn zwei verschiebbare Leisten hat, auf denen die Füße hochgehalten werden. Über den Söller selbst muß ich aus triftigen Gründen noch eine Bemerkung machen.
    Er war aus durchbrochenem Holz gebaut und reichte über die ganze hintere Seite des Gebäudes. Dieses enthielt in jedem Stockwerk eine lange Flucht von Zimmern, von denen aus man auf den Söller treten konnte. Um nun zu vermeiden, daß ein Gast den andern störe, war der Söller teils durch dünne Holzwände, teils auch durch grobe Stoffvorhänge in so viele Teile geschieden, wie Zimmer vorhanden waren. Es konnte also jedermann auf seinem Balkon oder Söllerteil sitzen, ohne eigentlich von den Nachbarn gesehen zu werden; aber die Vorhänge hatten mit der Zeit Löcher bekommen, und die Zwischenwände waren so schadhaft geworden, daß man oft weit mehr zu sehen bekam, als man eigentlich sehen wollte und auch sehen durfte. Man brauchte sich auch gar nicht anzustrengen, um die trennende Wand so zu beseitigen, daß eine persönliche Überraschung des Nachbars möglich war.
    Auf alle Fälle aber hatte man die Trennung nur für das Auge, nicht aber für das Gehör berechnet, denn da bei der dortigen Hitze es keinem Menschen einfiel, seine Söllertür zu schließen, so konnte man fast jedes Wort verstehen, welches in den beiden Zimmern rechts und links nebenan gesprochen wurde. Dergleichen Situationen sind im Orient leider allzu häufig. Oft sind nicht nur die Zimmer, sondern auch die Schränke, Kommoden usw. halb öffentlich eingerichtet, weil entweder gar keine Schlüssel oder nur solche von ganz derselben Nummer vorhanden sind, so daß jedermann mit seinem Schlüssel die Möbel

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