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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nässer wird, bis sie die allgemeine Überschwemmung nicht mehr fassen kann und in Gestalt von zwei Mississippis an den beiden Beinen niederlaufen läßt. So läuft das Wasser endlich am ganzen Körper, und – der Mann läuft auch! Der Fahrgast sieht das mit Staunen und wundert sich schließlich darüber, daß er so ruhig sitzen bleibt und nicht von der Rikscha herunterspringt, um – – – auch zu laufen! Es ist ein wahres Glück, daß man dem Kuli gesagt hat, wohin man fahren will, denn wenn man das vergessen hätte, so würde er laufen, laufen und immer weiterlaufen und gewiß nicht eher aufhören, als bis er sich ganz in Wasser aufgelöst hätte und zwischen den Deichselarmen der nun stehengebliebenen Rikscha nur noch die Hose und der Kamm zu sehen wären.
    Und wenn das Ziel erreicht ist und er sich mit der frei gewordenen Hand über das badende Gesicht streicht, so geht sein Atem so ruhig wie im Augenblick des Einsteigens; sein Auge blickt so sanft wie eine dunkelsamtene Pensee; er forderte nach deutschem Geld nur eine Mark für die Stunde, und wenn man ihm noch einige Pfennige zu dem geliebten Siribissen extra gibt, so möchte er nun vor lauter Dankbarkeit so, wie vorher vor lauter Wasser, auseinanderfließen. Das ist die Rikscha, und das ist der Rikschamann!
    Mein Sejjid Omar konnte es nicht gut verwinden, daß ich gegen seinen Vorschlag im Grand Oriental-Hotel blieb. Er kämpfte mit sich, ob er schmollen solle oder nicht; ich ließ das unbeachtet. Er mußte meine Effekten nach dem Zimmer bringen und ihnen dort die mir gewohnte Ordnung geben. In Indien spart man nicht mit der Dienerschaft. So standen auch an meiner geöffneten Tür zwei Singhalesen, welche mich eigentlich zu bedienen hatten und dem Sejjid helfen wollten. Das paßte ihm aber, zumal in seiner jetzigen Stimmung, nicht. Er faßte sie beide, den einen mit der rechten, den anderen mit der linken Hand, schob sie, ohne ein Wort zu sagen, weit auf den Korridor hinaus und zog dann die Tür hinter sich zu. Hierauf hielt er mir seine Hände hin, sah mich lächelnd an und fragte:
    „Sihdi, das waren Götzendiener? Nicht?“
    „Du nennst sie so“, antwortete ich.
    „Und ich habe sie angegriffen?“
    „Allerdings.“
    „Nun sieh, was ich tu!“
    Er küßte seine beiden Handflächen und fuhr dann fort:
    „Das ist ganz dasselbe, als ob ich diese Singhalesen geküßt hätte, so wie du den Knaben küßtest. Ich werde mir weder die Hände noch den Mund waschen, weil ich mich nicht verunreinigt habe, denn alle Menschen sind ja Brüder! Bist du nun mit mir zufrieden? Hat die Güte meines Islam jetzt nicht ebenso gesiegt, wie sie siegte, als ich den Amerikaner, welcher mich beleidigt hatte, nach dem Menahouse führte?“
    „Nein!“
    „Warum?“ fragte er erstaunt.
    „Weil beide Male etwas anderes gesiegt hat.“
    „Was?“
    „Das darf ich dir nicht sagen, weil du es mir verboten hast.“
    „Maschallah! Ich dir etwas verboten? Dir? Das ist doch mehr, als zehn Unmöglichkeiten sind!“
    „Du hast mir die Bedingung gestellt, nie von meinem Christentum zu sprechen.“
    „Was hat das mit meinem Sieg zu tun?“
    „Nicht dein Islam hat gesiegt, sondern mein Christentum.“
    Er sah mich so verwundert an, daß ich erklärend fortfuhr:
    „Wer hat damals und auch heute zu dir gesagt, daß du zwar Sejjid Omar seist, aber kein guter Mensch? Wer hat dich im Menahouse aufgefordert, den Amerikaner zu holen? Und wer hat dir heute durch einen Kindeskuß gezeigt, wie die Güte zu handeln hat, von welcher du soeben sprachst?“
    Er senkte die Augen und ließ auch die Arme sinken, bei ihm das sichere Zeichen, daß er sich in Verlegenheit befand. Aber er wurde für diesen Augenblick der Antwort enthoben. Man brachte mir das Fremdenbuch, in welches ich mich einzuschreiben hatte. Ich überflog die Namen der vor mir gekommenen und noch nicht ausgestrichenen Fremden. Es waren mehrere Deutsche und Österreicher dabei. Von einem Schiffsarzt wußte ich, daß er mich kannte, und da ich mich an niemand binden lassen und also gar nicht genannt sein wollte, so schrieb ich meinen Vornamen als Familiennamen ein und sagte dem Sejjid, als wir wieder allein waren, wie er mich hier, falls er gefragt werde, zu nennen habe.
    „Und weißt du aber auch, Sihdi, wie du mich zu nennen hast?“ sagte er kleinlaut.
    „Nun, wie?“
    „Omar el Gahil (Omar, der Unwissende). Ich sehe ein, was du gewiß schon längst bemerkt hast, nämlich, daß ich so dumm gewesen bin, deine Liebe für

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