31 - Und Friede auf Erden
für den Baja eine Rupie Finderlohn, fügte aber keine weitere Auskunft hinzu.
Als er gegangen war, mußte ich an jenes Erlebnis in Kairo und an den Pyramiden denken. Wir hatten uns im freundschaftlichsten Wohlwollen voneinander getrennt, aber es war inzwischen eine ganze Reihe von Monaten vergangen; ich hatte viel, sehr viel erlebt und durfte annehmen, daß auch meine damaligen Gefährten neue Bilder in sich aufgenommen hatten, von denen die alten vielleicht verdrängt worden waren. Auch ist es eine alte, wohlbewährte Regel der Klugheit, Reisebekanntschaften wenn möglich nur als Episoden zu betrachten. Pflegt man sie später fort, wenn die Wanderpoesie verflogen und verklungen ist, so geschieht es nur zu oft, daß man es zu bereuen hat. Ich war zwar überzeugt, daß Waller und seine Tochter sich freuen würden, mich wiederzusehen, aber dieses Wiedersehen mußte ihn an frühere Schwächen erinnern, und das konnte ich ihm ersparen. Übrigens, wenn ich sie fand, so war ich gezwungen, mich ihnen zu widmen, und es erschien mir sowohl für sie als auch für mich vorteilhafter, auf die persönliche Freiheit nicht so ohne zwingenden Grund zu verzichten.
Diese Betrachtungen brachten mich zu dem Entschluß, Wallers, wenn sie hier sein sollten, nicht aufzusuchen, sondern ihnen das Buch, auf einem anderen, unauffälligen Weg zuzustellen. Wie es auf die Straße im Pettah gekommen war, das brauchte nicht ein Rätsel zu sein, welches gerad ich zu lösen hatte.
Aber in Beziehung auf das Gedicht fühlte ich, daß mir die Finger nach der Feder zuckten. Der Wind hatte es Mary zugeweht. Wie würde sie sich wundern, wenn sie jetzt bei dem Anfang eine Fortsetzung von derselben Hand erblickte! Wie würde sie sinnen und nachdenken, auf welche Weise sich das zugetragen habe! Vielleicht öffnete sie nicht jetzt, sondern erst später, nach Monaten, nach langer, langer Zeit das Blatt; wie groß erst dann das Staunen!
Leider hatte ich damals das Gedicht nicht fertiggeschrieben, weil mir die Disposition nicht ganz klar erschienen war. Ich hatte das Sujet in vier Vierzeiler fassen wollen, war aber zu der Ansicht gekommen, daß die Fassung in zwei Achtzeiler sinnentsprechender sei. Der erste war fertig geworden, der zweite aber nicht, weil ich anderes und Notwendigeres zu tun gehabt hatte. Aber das war ja vollständig hinreichend zu dem jetzigen Zweck, die junge Freundin durch dieselbe Handschrift von demselben Verfasser zu überraschen. Ich glättete also die Falten des Papiers möglichst aus, probierte die hiesige Tinte, ob sie von derselben Schwärze sei, und fügte dann vier neue Zeilen hinzu, so daß die Strophe nun folgendermaßen lautete:
„Tragt Euer Evengelium hinaus,
Doch ohne Kampf sei es der Welt beschieden,
Und seht Ihr irgendwo ein Gotteshaus,
So stehe es für Euch im Völkerfrieden.
Gebt, was Ihr bringt, doch bringt nur Liebe mit,
Das andre alles sei daheim geblieben.
Grad weil sie einst für Euch den Tod erlitt,
Will sie durch Euch nun ewig weiter lieben.“
Eben war ich mit diesen Zeilen fertig, als sich im Nebenzimmer rechter Hand ein Geräusch vernehmen ließ. Es war bisher zu beiden Seiten so still gewesen, daß ich geglaubt hatte, die zwei benachbarten Räume seien unbesetzt; dies schien nun aber, wenigstens in Beziehung auf den einen, nicht der Fall zu sein.
Ich unterschied zunächst zwei Stimmen, welche sprachen. Es wurden Stühle gerückt und heraus auf den Söller geschafft. Da klangen die Worte natürlich deutlicher. Ich hörte jemand sagen, und zwar in englischer Sprache:
„Also mein letzter Abend in Indien, speziell auf Ceylon! Wie freue ich mich, daß ich diese lange und gefährliche Arbeit zum Abschluß gebracht habe und nun die Heimat wiedersehen darf!“
Wenn ich mich nicht irrte, so kannte ich diese Stimme. Ich hielt sie für diejenige des graubärtigen Herrn, welcher unter die Rikscha des Tamilen geraten war. Er hatte zwar nur wenige Worte mit mir gesprochen, aber ja erst heut, also vor so kurzer Zeit, daß mir der Klang seines Organs noch nicht wieder verlorengegangen war.
„Und dieser letzte Tag war auch nicht ganz ohne Gefahr“, bemerkte der andere. „Unter die Hufe der Pferde zu geraten, das hätte schlimmer enden können, als es glücklicherweise ausgefallen ist!“
„Das ist nicht zu bestreiten, obgleich ich nur unter die Rikscha, nicht aber unter die Hufe der Pferde geraten bin wie die Eingeborenen, die ich verletzt auf der Straße liegen sah. Soll es etwa so weit kommen, daß
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