31 - Und Friede auf Erden
eines in einem Eroberungskampf siegenden Volkes niemals die Siegerin, sondern stets und immer die Überwundene ist!“
Er trat einige Schritte von mir zurück und bat, indem er sich tief verneigte:
„Verzeihen Sie mir, daß ich den Wunsch hatte, Ihnen zu sagen, was und wie ein Chinese über diese Religions- und Rasseangelegenheiten denkt und spricht! Grad Sie sollten die nackte, unverfälschte Meinung meines Volkes kennenlernen, weil es mir ist, als ob uns nach der Landung und Trennung in Penang ein Wiedersehen beschieden sei, und weil ich ahne, daß Ihr deutsches Volk uns schneller und besser verstehen lernen werde als diejenigen Völker, deren Seelen anders als die deutsche fühlen. Wenn ich Sie nicht zu Worte kommen ließ, so tat ich das nicht aus Unhöflichkeit. Was Sie als Christ und Abendländer mir entgegnen würden, das weiß ich ebenso genau, wie Sie es wissen, und wollte Ihnen eine Rechtfertigung ersparen, welche zwar volltönend beginnt, aber schließlich doch nur zur Entschuldigung wird. Der Kaukasier befindet sich in einem doppelten Irrtum: er glaubt, uns zu kennen, und er denkt, daß wir ihn nicht kennen. Aber China und die Chinesen sind ihm trotz der europäisch gefärbten Bücher, nach denen er uns beurteilt, fast ebenso unbekannt geblieben, wie sie es waren, als er sie zum ersten Mal sah. Er hat die Eigenart des Geistes nicht begriffen, der treu und schützend, wie der Drache alter Sagen, über unseren Ländern und Gewässern schwebt. Da haben Sie die Bedeutung unseres Nationalsymboles! In Ihren Augen eine Häßlichkeit, ist dieser Drache für uns ein Hüter tief vergrabener Schätze, dessen wahre Gestalt, jetzt noch unter seltsamer Form verborgen, sich nur dem Auge desjenigen Fremden zeigen wird, welcher nicht kommt, diese Schätze für sich allein zu stehlen, sondern sie mit liebe- und verständnisvoller Hand zum Segen aller an das Tageslicht zu ziehen. Dann, aber auch erst dann wird man beginnen, China kennenzulernen. Uns aber ist Ihr Westen längst kein Rätsel mehr. Wir haben Augen hingesandt, unerbittlich scharf und unbefangen blickende Augen, und diesen Augen ist nichts entgangen, was sie sehen mußten, um die uns drohende Gefahr in ihrem ganzen Umfang zu erkennen, aber auch die Schwächen derer, die uns meistern wollen, alle zu durchschauen. Und wer bei gleicher Kraft im Kampf den andern besser kennt, der braucht sich nicht zu fürchten!“
Ich war natürlich auch von der Bank aufgestanden. Schon hob ich die Hand, um sie ihn zum Abschied zu reichen; er nahm sie aber noch nicht, sondern fuhr fort:
„Sie wollen mich in europäisch-herzlicher Weise entlassen. Wissen Sie, daß Sie das schon einmal noch viel herzlicher, und zwar chinesisch getan haben? Das war bei meinem Morgenbesuch in Point de Galle. Sie ahnten wahrscheinlich gar nicht, wie hoch Sie mich durch Ihr Schweigen stellten. Hoch über jede Klage und ebenso hoch über jeden Dank! Wie kam es, daß Sie es taten? Etwa weil Sie es wußten oder weil Sie es wollten? O nein. Die Menschenliebe ist's, die immer vornehm handeln läßt, selbst in den unbekanntesten Verhältnissen! Ja, geben Sie mir Ihre Hand. Ich will sie Ihnen in deutscher Freundesweise drücken!“
Als er gegangen war, nahm ich meine Arbeit wieder auf, die mich bis zum Morgen beschäftigte. Da sah ich, daß wir uns in der Straße von Malakka befanden. Am südlichen Horizont trat die Diamantspitze von Sumatra hervor; wie näherten uns Penang.
Die Passagiere kamen alle an Deck, wie es ja immer ist, wenn man sich einem Hafen nähert. Sejjid Omar brachte schon unser Gepäck getragen; er liebte es, stets als der erste bereit zu sein, und es gehörte bei ihm zu den Unmöglichkeiten, irgendeinen Aufbruch oder eine Abfahrt zu versäumen.
„Was wohnen für Leute in Penang, Sihdi?“ fragte er mich, indem er ein pfiffiges Gesicht zog. Er schien etwas im Hinterhalt zu haben.
„Europäer, aber sehr wenig, ferner Hindu, Parsen, Chinesen, von diesen sehr viel, und Malaien.“
„Also wirklich Malaien?“
„Ja. Interessiert dich das? Du kannst ja nicht mit ihnen sprechen!“
„Ich? Nicht sprechen?“ rief er aus. „Darf ich als Malaie kommen und bei dir anklopfen?“
„Ja.“
„Gut! Du bist ein Schneider und heißt Kadaja. Paß auf!“
Er machte die Bewegung des Anklopfens und Hereinkommens und sagte dann:
„Salamat paga tuwan! Apa kowa ada tukang mendjahit namanja Kadaja – guten Morgen, Herr! Sind Sie der Schneider Kadaja?“
„Saja tuwan – ja“, antwortete
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