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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und kurzer, weißleinener Jacke, deren schößeloser Rand eng an der Taille liegt und hinten eine Schneppe hat, zum Frühstückstisch. So knabenhaft das aussieht, es wird von den Touristen nachgemacht. Man gibt auf solche Äußerlichkeiten sehr viel, und wer sich von ihnen ausschließt, der darf nicht erwarten, als ‚fair‘ behandelt zu werden; es wird über ihn hinweggesehen wie über eine leere Stelle, an welcher sich niemand befindet.
    Es gab keine langen Tafeln, sondern nur einzeln stehende Tische im Speisesaal; das ‚My house is my Castle‘ wird gerade von denen, welche keine anderen als nur ihre Kofferschlösser besitzen, am augenfälligsten zur Schau gelegt. Jeder Tisch wurde von zwei Eingeborenen bedient, welche in lange, weiße Gewänder gekleidet waren und rote Schals um die Hüften gewunden hatten. Das sah sehr sauber und außerdem vornehm aus. Es war mir nicht eingefallen, meinen bequemen, weißen Reiseanzug abzulegen; man beachtete mich also nicht, und das war mir eben recht. Ich ging dorthin, wo es zwei leere Tische gab, und setzte mich an einem derselben nieder.
    Eben als ich mit dem Essen begonnen hatte, traten vier Personen in den Saal, die sich dem neben mir stehenden Tisch näherten, um an demselben Platz zu nehmen. Es waren zwei Herren und zwei Damen. Der eine der Herren war der Kapitän des Schiffes, welches uns gelandet hatte. Er trug Paradeuniform, wahrscheinlich wegen der Herrschaften, bei denen er sich befand. Diese waren jedenfalls Vater, Mutter und Tochter, der erstere alt, doch militärisch gerade und stramm, sehr einfach gekleidet, aber jeder Zoll an ihm den vornehmen Mann verratend. Man kannte ihn im Hotel; die Dienerschaft flog herbei und zeigte eine Ehrerbietung, die man nur hochgestellten Personen zu widmen pflegt. Der Kapitän trat zu mir heran, gab mir die Hand und flüsterte mir eilig zu:
    „Ist General – ich hatte ihm geheime Papiere zu bringen – persönlich – lud mich ein, mit ihm zu speisen – mußte also meinen Aufenthalt hier um einige Stunden verlängern.“
    Dann ging er wieder zum andern Tisch hinüber. Da er mich gegrüßt hatte, wurde mir auch von den andern drei eine höfliche Verbeugung, ehe sie sich setzten. Dann unterhielten sie sich in jenem ungezwungenen, aber gedämpften Ton, welcher die Worte zwar nicht hören, doch deutlich ahnen läßt.
    Nicht lange hierauf wurde die Tür von außen dröhnend aufgerissen, und wer kam mit überlauter Rücksichtslosigkeit hereingestürmt? Die lieben Zivilisatoren und Gentlemen, welche also demselben Hotel die Ehre gegeben hatten, sich den Trägern der abendländischen Kultur öffnen zu dürfen. Sie hatten mehrere zusammengeschobene Tische für sich bestellt und stürzten sich nach ihren Plätzen, als ob sie es gar nicht erwarten könnten, ihren Tropenkoller auch an dieser Stelle auszulassen. Der von meinem Omar Gerettete war auch mit dabei. Er hieß Dilke und schien sich vollständig wieder erholt zu haben, denn er gab sich die größte Mühe, der Lebhafteste von ihnen zu sein, und forderte sie in übermütiger Weise auf, die ‚heutige, gloriose Schwimmpartie‘ auf seine Rechnung mit ihm zu feiern und zunächst mit einem ebenso gloriosen, steifen Grog zu beginnen.
    Als die Kellner das Getränk brachten, wurde es sofort hinuntergestürzt und in zweiter Auflage gleich nochmals bestellt. Dann ließ man verschiedene Rums, Arraks und Kognaks kommen, um ‚den Appetit zu stärken‘, worauf man bei der erscheinenden Suppe zum schweren Wein überging. Das geschah alles so laut, so unmanierlich, als ob die andern Gäste der Beachtung gar nicht würdig seien. Ich sah, daß man allgemein empört hierüber war. Die Elite des Okzidents schien dies aber gar nicht zu bemerken. Sie hatte nur Augen für sich, für ihre Flaschen und Gläser, bis der Blick eines von ihnen so gütig war, über den Saal hinüber auf mich zu fallen und mich zu erkennen. Er teilte den andern mit, wen er gesehen hatte. Da gab es zunächst ein kurzes, heimliches Flüstern, dann erfolgte das, was mir auf dem Schiff gelungen war zu verhüten – der Angriff gegen mich. Man fragte laut, ob es einem Deutschen erlaubt sei, hier in Penang mitten unter Gentlemen zu wohnen und zu speisen. Es sei einer da, der nicht einmal die vorgeschriebene Toilette gemacht habe. Das müsse man als eine Beleidigung der öffentlichen Sitte, der ganzen, hier anwesenden Gesellschaft auffassen. Hierauf wagte man es sogar, von mir auf Deutschland überzugehen. Man sprach von

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