31 - Und Friede auf Erden
sondern Indochinesen, die er mit einem kräftigen ‚Tsching tsching‘, was er aber ‚Tsing tsing‘ hätte aussprechen sollen, begrüßte. Es waren echte, kräftige untersetzte Kuligestalten mit riesigen Hüten auf den Köpfen, doch hatten sie beileibe keine kompliziertere Toilette als unsere Rikschaleute ceylonesischen Angedenkens. Nur darf ich nicht vergessen zu erwähnen, daß dort in Colombo der Zopf sehr elegant mit einem Kamm auf dem Kopf befestigt war, während er hier in Penang in Gestalt eines von den Motten verheerten Meerkatzenschwanzes hin- und herpendelte.
Das East and Oriental Hotel besteht aus zwei Abteilungen, einer einheimischen und einer europäischen. Die letztere habe ich, den Speisesaal ausgenommen, gar nicht betreten, denn ich lasse mich nicht gern zwingen, jeden Tag volle vierundzwanzig Stunden lang nur immer ‚Lord‘ und gar nichts anderes zu sein. Die andere Abteilung, eine sehr in Ruhe gelassene Dependence, liegt seitwärts, lang gestreckt an einem schmalen Garten hin, den herrlich bewipfelte Bäume einfassen. Gleich hinter diesen Schattenspendern rauscht Tag und Nacht die See am Strand empor, und es ist so wunderbar, so wenige Schritte von ihr im Wachen und im Traum unausgesetzt das mächtige Rezitativ ‚Ihn preisen alle Meere‘ aus dem von Gottesengeln komponierten Oratorium ‚Das Halleluja der Schöpfung‘ erklingen zu hören. Die Natur spricht nicht in artikulierten Worten zu uns, weil ihre Sprache nicht für das Ohr, sondern für das Herz berechnet ist; ihre Laute sollen in die Tiefe dringen, weil sie aus der Höhe kommen; wer ihnen aber die Tiefen seines Innern verschließt, für den werden jene Höhen, aus denen sie erschallen, nicht vorhanden sein!
Die Dependence war so wenig besetzt, daß es mir freistand, unter den vorhandenen Wohnungen nach meinem Belieben die Wahl zu treffen. Jedes einzelne Logis nimmt einen Querschnitt durch das ganze Gebäude ein und besteht aus mehreren Räumen. Vorn liegt der Garten, von dem aus man in das orientalisch ausgestattete Vorzimmer tritt; dann folgt das geräumige, immer kühle Wohngemach, aus welchem man nach hinten in einen Flur kommt, der auf der einen Seite nach der Badestube und auf der andern nach den Toilettenräumen führt. Hieran schließt sich ein wohlgepflegter Blumengarten, innerhalb dessen Einfassung sich die lieblichen oder auch stolz-schönen Vertreterinnen der hinterindischen Flora durch die Augen in die Herzen schmeicheln. Das alles steht jedem einzelnen für sich wohnenden Gast zur Verfügung. Man sieht, es wird mit den Quadratmetern nicht gespart, und wem das zu splendid erscheint, den kann ich durch die gewichtige Versicherung beruhigen, daß später durch die Rechnung alles ausgeglichen wird. Es steht im Buch der ‚Gesunden Vernunft‘ geschrieben, daß kein Hotelbesitzer mehr liefert, als er sich bezahlen läßt.
Dieses Nebengebäude hat ein Stockwerk mit ganz ebenso angeordneten Räumlichkeiten. Es stand vollständig leer, und da ich unten keine Nachbarn neben mir hatte, so wohnte ich so still und ungestört, wie ich nur wünschen konnte. Für Sejjid Omar brauchte ich keinen besonderen Raum, denn er erklärte, in meinem Vorzimmer schlafen zu wollen. Er tat dies aus Anhänglichkeit zu mir; die Leitung des Hotels aber hatte das, wie ich später bemerkte, als eine nach ihrer Ansicht übel angebrachte Sparsamkeit aufgefaßt, infolge deren sie nun nicht recht wußte, woran sie mit mir war. Mit einem eigenen arabischen Diener kann doch wohl nur ein wohlhabender Mann reisen; aber wenn für das Logis dieses Dieners nichts ausgegeben wird und nur so wenig Gepäck vorhanden ist, wie ich besaß, so hat man in einem englisch dirigierten Hotel allerersten Ranges Veranlassung, dem betreffenden Gast ja nicht zu viele Verbeugungen zu machen. Mir aber war das eben recht. Es ist mir niemals eingefallen, nur um im Gasthaus zu imponieren, eine Menge überflüssiges Gepäck mit mir herumzuschleppen.
Der erste Beweis, daß ich nicht als erstklassig galt, wurde mir zu Mittag geliefert. Man unterließ es, mir zu melden, daß zur Tafel gegangen werde. Das Zeichen, welches mit dem Gong gegeben wird, war wegen der Entfernung nicht zu hören. Omar aber war eben in dem Hauptgebäude gewesen und benachrichtigte mich.
„Die Herren sind alle unten schwarz und oben weiß, mit einer Spitze hinten“, sagte er, „und die Damen haben ihre Koffer leer gemacht und alles an sich aufgehängt.“
Man geht nämlich in Indien gern in schwarzer Hose
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