313 - Der verlorene Pfad
günstigen Moment. Okee?«
»Okee«, antwortete Juefaan.
Aruulas Herz schlug schneller, als sie über die verschneiten Wiesen schritt. Rulfan kam ihr entgegen, und der Anblick ihres alten Weggefährten weckte Erinnerungen an eine Zeit, in der die Welt noch in Ordnung war. Gefährlich, aufregend, unstet – aber in Ordnung. Denn Maddrax war noch ein Teil davon.
Auf den letzten Metern begann sie zu laufen, die Arme ausgebreitet und ein Lachen im Gesicht.
Rulfan fing sie ab, schwenkte sie übermütig. »Aruula! Wie es mich freut, dich zu sehen! Ich dachte zuerst, ich halluziniere! Wo bist du all die Zeit gewesen? Was machst du hier? Geht es dir gut? Lass dich mal ansehen!« Er schob die Barbarin auf Armlänge von sich und musterte sie lächelnd. »Schön wie immer! Und wer ist das ?« Rulfan blickte über ihre Schulter auf den Jungen, der ein Stück hinter ihr stand und sich nicht rührte.
»Das ist Juefaan.« Aruula drehte sich um und winkte ihn heran. »Er gehört zu meinem Volk und begleitet mich auf dieser Reise.«
Rulfan hob grüßend die Hand. »Hallo, Juefaan!«, sagte er und wandte sich gleich wieder Aruula zu. »Du bist doch sicher nicht zum Vergnügen um diese Jahreszeit in die Highlands gereist! Komm ins Haus, lass uns reden. Hier draußen ist es definitiv zu kalt!«
»Sprach der Mann, der keine Jacke dabei hat«, spottete die Barbarin vergnügt.
»Du kannst mich ja wärmen.« Rulfan hakte sich bei Aruula ein. »Aber jetzt spann mich nicht länger auf die Folter! Sag schon: Was ist der Grund deiner Reise?«
»Grao’sil’aana!« Aruula sprach den Namen voller Verachtung aus. »Ich lebe seit einigen Monaten auf den Dreizehn Inseln, und du glaubst nicht, was sich in der Zwischenzeit dort abgespielt hat.«
Auf dem Weg zur Burg berichtete Aruula erst von ihrer Begegnung mit Wakawa, die sie erst hierher gebracht hatte. Rulfan runzelte die Stirn, als er den wahren Namen des Technos erfuhr.
Aruula stutzte. »Du kanntest ihn?«
»Ja, sicher.« Rulfan nickte abwesend. »Enno war einer der Archivare in Salisbury, und wir haben uns über seinen Spleen lustig gemacht, den nordamer... den meerakanischen Indianern nachzueifern. ›Zurück zur Natur‹ war schon damals sein Motto. Vielleicht hat er die Immunschwäche deshalb auch ohne Serum überlebt.« Dann wurde ihm klar, dass Aruula in der Vergangenheitsform von Heatherby gesprochen hatte. »Aber was meinst du mit ›kanntest‹...?«
Die Kriegerin von den Dreizehn Inseln berichtete ihm von Wakawa Schicksal in den Krallen eines Eluu.
Rulfan schlug seine Faust in die offene Hand. »Enno schwärmte immer von einem großen Vogel , und wir dachten, es wäre ein Kolk oder vielleicht ein Falke. Er war ganz vernarrt in das Vieh! Nun ja, wie mir scheint, hat er sein Schicksal selbst gewählt.« Er schien einen Moment über etwas nachzudenken, bevor er sagte: »Das ist nicht jedem von uns gegönnt.«
Aruula runzelte die Stirn, doch bevor sie nachfragen konnte, was er damit meinte, deutete Rulfan über die Wiesen. »Siehst du den Hangar da hinten?«, wechselte er schnell das Thema.
»Du meinst die Ruine?«
»Wie auch immer. Darin ankert mein neues Luftschiff, ein Zweisitzer. Ich wollte es schon lange einmal im Kampfeinsatz testen – jetzt ergibt sich vielleicht die Gelegenheit dazu.«
»Was hast du vor?!«
»Enno Heatherby zu rächen, was sonst? Außerdem ist ein Eluu hier in der Gegend eine Gefahr für Mensch und Vieh. Ich trage jetzt Verantwortung für die hiesige Bevölkerung. Ich werde das Vieh jagen und ihm eine Kurzstreckenrakete in den Ar... äh«, er warf einen schnellen Blick auf Juefaan, der mit großen Augen dastand und lauschte, »… in den Leib jagen«, brachte er den Satz zu Ende.
Aruula grinste, als Rulfan sich bemühte, in Gegenwart eines Kindes keine unflätigen Reden zu schwingen. Er schien auf dem besten Weg zu sein, ein richtiger Vater zu werden. Das konnte ihr im Hinblick auf Juefaan nur recht sein.
Mit schnellen Schritten legten sie den Rest des Weges zurück.
Die Zufahrt zu Canduly Castle war mit Asche bestreut worden, das erleichterte den Aufstieg ungemein. Aruula staunte, wie gepflegt alles aussah, und die neuen Anbauten, die laut Rulfan zum Hort des Wissens gehörten, beeindruckten sie. Zudem verzierten Tannengirlanden jedes Fenster der Burg und am Eingang standen zwei große Gestecke Spalier.
»Seit wann bist du denn ein Blumenfreund?«, fragte sie amüsiert.
»Hmm?« Rulfan folgte geistesabwesend ihrem Fingerzeig und winkte
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