314 - Exodus
Jäger war und er die Beute. »Sklavin?«, echote sie. Ihre Stimme kam von ganz weit her. Zwischen sie und die Welt legte sich eine Mauer.
»Sklavin, da. Ich bin Händler«, sagte der Mann nun wieder mit der bereits zuvor gezeigten Überheblichkeit. »Ich liefere Ware nach Südafra an einen König. Es wird euch dort gefallen.« Er grinste hässlich und drehte sich zu seinen Leuten um. »Dawaj! Gehen wir! Das Luftschiff holen wir später.« Er drehte sich um und schritt davon.
Jetzt , flüsterte eine Stimme in Aruula. War es ihre eigene oder die eines Fremden? Töte ihn. Ich gebe dir die Kraft dazu.
Mit einem Schrei trat sie dem Bewaffneten neben sich zwischen die Beine und drosch dabei mit dem Ellbogen in den Magen eines zweiten Mannes. Bewegung kam in die Gruppe, doch noch ehe sie wirklich begriffen, was geschah, stand Aruula schon bei der schwarzhäutigen Jubov, die ihr Schwert hielt. Schüsse knallten. Rücksichtlos stieß Aruula Jubov in die Schussbahn. Ihrem Todesschrei folgte ein kurzer entsetzter Moment der Stille, in dem Aruula vorsprang, um sich einen neuen menschlichen Schutzschild zu suchen.
»Idioten!«, brüllte Agafon. »Tötet sie!«
Weitere Schüsse ratterten über den Platz. Am Rand ihrer Wahrnehmung hörte Aruula Rulfan aufschreien. Es spielte keine Rolle. Alle sollten sie sterben! Es war ihr egal, ob Rulfan dabei draufging.
Sie schrie nun ebenfalls. Laute, wahnsinnige Rufe kamen aus ihrer Kehle. Hinter ihr explodierte im Kugelhagel eine der Gasflaschen und riss einen weiteren Mann in den Tod. Irgendetwas Hartes traf ihren Rücken, vielleicht ein Mantelsplitter, doch Aruula fuhr nur kurz zusammen.
Einen Moment zuckte entsetztes Verstehen in ihr auf – Das bin nicht ich. Das ist der Streiter! Das bin nicht ich! –, dann umnachtete sich ihr Geist. Wie im Rausch tanzte sie lachend durch die Reihen der Feinde. Erst Minuten später kam sie wieder zu sich. Um sie her lagen zehn Männer und zwei Frauen tot am Boden. Die Spitze ihrer Klinge wies auf den Hals von Blauauge Agafon. »Es ist das Ende aller Tage«, sagte sie rau. »Der Schatten fällt. Auch für dich.«
»Njet!« Der Mann sank auf die Knie. »Njet! Hab Erbarmen!«
Aruula stieß zu. Blut quoll aus dem Hals des Feindes. Dann zog sie das Schwert zurück, legte es an den Mund und leckte die Klinge ab.
***
Im Flächenräumer
Matt starrte fassungslos auf den nach innen gebogenen Monitor. »Funktioniert die Zieloptik noch?«
Takeo bestätigte es nach einem kurzen Check. »Das Material hat standgehalten.«
Mit einem erleichterten Aufatmen sah Matt zu Quart’ol und Gilam’esh, die beide von Clarice ein Pflaster verpasst bekommen hatten. Allerdings schien das Medikament bei den Hydriten nicht ganz so gut zu wirken wie bei Menschen und Marsianern. Sie waren zwar ruhiger, schliefen jedoch nicht ein.
»Sie brauchen Ruhe«, sagte die Marsianerin mit blassem Gesicht. »Wenn Gilam’esh das Bild nicht auf diese drastische Weise ausgeschaltet hätte, wären sie vielleicht wahnsinnig geworden.« Matt sah, wie ein leichtes Zucken um ihre Mundwinkel lief. »Ich habe auch etwas gespürt. In mir ist... Angst. Große Angst.«
Eine Weile war es totenstill im Raum. Steintrieb und Vogler standen schweigend an der Raumseite neben Miki Takeo.
Matt schluckte. Auch er hatte an diesem Tag größere Furcht als sonst. Der Himmel über der Eisspalte wirkte wie ein Leichentuch. Aber es half sicher nicht, jetzt auch noch seine Ängste auszupacken. Sie mussten sich zusammenreißen. Der Streiter kam schon in wenigen Stunden an!
»Leute, wir dürfen jetzt nicht aufgeben. Wir haben es bis hierher geschafft, und wir beenden die Sache.« Er drehte sich, sah der Reihe nach jeden Einzelnen an, auch Xij, die schräg hinter ihm stand. »Ich schlage vor, wir machen eine kurze Pause, um zur Ruhe zu kommen. Versucht ein bisschen zu schlafen. In einer Stunde treffen wir uns wieder hier.« Er wandte sich an Takeo. »Miki, du weckst uns dann. Natürlich schon vorher, falls der Streiter sein Tempo erhöhen sollte.«
Der Android nickte; seine Servomotoren summten. »Ich nutze die Zeit, um den Splitter zu konfigurieren; dabei könnte ohnehin keiner von euch helfen.«
»Okay. In einer Stunde also.«
Zwar hörte er zustimmendes Gemurmel, aber er sah keine Hoffnung mehr in den Gesichtern. Sie alle schienen zu zweifeln. Und zweifelten sie nicht zu Recht? Matt schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf. Er würde nicht aufgeben. Er nicht. Langsam wandte er sich ab und ging
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