314 - Exodus
Windtänzer fernzuhalten? Du summst eine leise Melodie, um dich zu beruhigen. Laute vertreiben Monster, halten sie fern. Vielleicht solltest du die fremde Frau doch wecken und die anderen in der Anlage. Die Erdmenschen und Fischwesen. Aber du willst sie nicht vor den Monstern warnen, willst ihnen nicht helfen.
Ärger steigt in dir auf und wächst rasch an. Sie haben dich angeklagt. In ihren Blicken siehst du, wie sie dich verurteilen. Sie halten dich für verrückt, glauben, du ständest unter dem Einfluss des großen Schattens.
Du lachst kehlig auf. Im Geheimen nennen sie dich Wurzelfresser und Sandmade. Sie sehen auf dich herab, weil du den roten Vater kennst. Nein, du wirst sie nicht warnen. Sollen die Monster kommen. Besser du gehst, folgst dem Ruf von Windtänzer. Nur Windtänzer kann dich noch retten, nur seine Stimme dich ins Licht führen, fort von der Dunkelheit.
Dein Summen wird lauter. Du setzt deinen Weg immer schneller fort, hin zum Ausgang, in die Freiheit.
***
Im Flächenräumer
Xij konnte nicht schlafen. Seit der Sabotage teilte sie sich einen Mannschaftsraum mit Matt. Ein wenig sehnsüchtig sah sie zu ihm hinüber. Sein bionetisches Lager stand so weit entfernt, wie es der Raum zuließ. Matt lag ruhig, blaue Schatten zeichneten sich auf seinem Gesicht ab, das von winzigen Dioden angeleuchtet wurde.
Langsam stand sie auf. Er wird mich nie so sehen wie ich ihn , dachte sie. Da geht die Welt zugrunde, aber ich werde das Lager ganz sicher nicht mit ihm teilen können. So abwehrend, wie er sich gibt.
Ein Schatten ließ sie herumfahren. Hinter ihr war eine gehärtete Bionetikscheibe an der Wand, so glatt, dass sie als Spiegel diente. Angespannt sah Xij hinein. Huschte da nicht etwas hinter ihr entlang? Sie fuhr herum. Nichts deutete darauf hin, dass sich außer ihr und Matt jemand in der Kammer befand. Und doch glaubte sie, die Anwesenheit eines anderen Menschen zu spüren. Sie zitterte leicht, als sie langsam und lautlos durch den Raum ging. Nein. Da war nichts.
Sie wollte eben wieder zurück ins Bett kriechen, als sie das leise Summen hörte. Draußen in der Röhre schlich jemand herum! Oder bildete sie sich auch das nur ein? Sie überlegte kurz, Matt zu wecken, entschied sich dann aber dagegen. Vorsichtig schlüpfte sie aus dem zur Seite gleitenden Schott.
Niemand zu sehen. Langsam ging sie die Tunnelröhre entlang. Es tat gut, sich die Beine zu vertreten.
Sie hatte gar nicht bemerkt, schon so weit gelaufen zu sein, als ihr Blick auf die Tür der Kammer fiel, wo sie Sinosi Gonzales’ und Mariann Braxtons Überreste aufbewahrten. Es war der Raum, in dem auch eine Frau namens Lityi laut Matts Erzählungen ihren Hund begraben hatte. Außerdem lagen dort die vergangenen Gesellschafter des Koordinators beerdigt, die sich das wahnsinnig gewordene Wesen wie Haustiere gehalten hatte.
Ein kalter Windzug strich ihr von hinten über den Nacken, und als sie sich halb umwandte, schreckte eine Bewegung am Rand ihres Gesichtsfelds sie auf. Das Phantom aus der Kammer...?
Doch es war nur Vogler. Der Waldmensch hielt etwas hinter dem Rücken verborgen. Er trug seine Thermokleidung, was ungewöhnlich war. »Vogler! Zur Hölle, hast du mich erschreckt! Was schleichst du in voller Montur durch die Gänge? Wohin willst du – zur Schleuse? Ist etwas mit Grao oder dem Shuttle?«
»Du schleichst doch auch durch die Gänge«, sagte Vogler mit weicher Stimme. »Wenn auch kaum bekleidet.« Seine singenden Worte weckten in ihr Assoziationen von fließendem warmen Wasser. Er kam langsam auf sie zu.
Xij stellten sich die Härchen an den Unterarmen auf. »Ich wollte mir nur etwas die Beine ver-«
Vogler riss eine Metallstange hinter dem Rücken hervor und schlug unvermittelt zu.
»Scheiße!«, brachte Xij hervor. Sie warf sich geistesgegenwärtig zur Seite und hob abwehrend die Hände. Hätte sie doch nur ihren Kampfstab bei sich gehabt! Sie blickte um sich, konnte aber nichts ausmachen, das sich als Waffe verwenden ließ.
Schon kam Voglers zweiter Angriff, der sie noch weiter den Gang entlang trieb. Sie wollte seine Arme packen, doch Vogler wich aus, wand seinen Angriffsarm noch im Schlag herum. Er wurde dadurch langsamer, aber der Aufprall ließ Xij dennoch aufschreien und Sterne sehen. Das Metallende erwischte ihre Schläfe. Sie stürzte.
Gedanklich schaltete sie um. Vor ihr stand nicht mehr Vogler, sondern ein Feind, der sie töten wollte. Trotz der explodierenden Schmerzen im Kopf warf sie sich nach vorn und
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