315 - Apokalypse
Bahntrasse, das sich aus dem wallenden Staub schälte. Links und rechts bohrten sich die abgerissenen, verbogenen Schienenstränge wie groteske Finger in den Abgrund.
Chöpal hatte keine Ahnung, warum der Druckauslöser zeitverzögert reagiert hatte. Egal jetzt. Die Rätedurften nicht entkommen!
Über Wege mit der Zugangsberechtigung AAA rannte er, so schnell er konnte, zum Bahndepot Felsengarten, was mehr als eine halbe Stunde dauerte. Dort machte er seinen persönlichen Zug klar und pilotierte ihn höchstselbst aus dem Depot. Die verdutzten Wachen feuerten erst hinter ihm her, als es längst zu spät war. Über eine Ausweichstrecke schoss Chöpal in unverantwortlicher Weise über die Felsgrate und durch die schmalen Tunnel. In Agartha-Labyrinth, gleich hinter Tiefental, traf er wieder auf die Hauptstrecke. Mit seiner Codekarte konnte Chöpal die Weichen vom Zug aus stellen. Aus einem Tunnel heraus fuhr er auf die Haltestelle Labyrinth-Süd zu. Und erschrak. Hunderte von Menschen drängten sich auf dem Bahnsteig!
Natürlich. Nachdem der Zug mit den Räten durchgekommen war, hofften sie auf weitere Züge!
Chöpal schluckte. »Heilige Yaakscheiße«, murmelte er. Als die Menschen den Zug kommen sahen, drängten sie von hinten nach. Die, die vorne standen, fielen schreiend und mit verzerrten Gesichtern auf die Gleise!
Chöpal hatte nicht vor zu halten. Mit geschlossenen Augen rauschte er durch den Bahnhof. Menschliche Körper knallten seitlich gegen das Glas und wurden weggeschleudert. Dann war er durch.
»Idioten«, murmelte er. Die zahlreichen Blutspritzer an der Glaskabine versuchte er einfach zu ignorieren.
Plötzlich hatte der Chefwissenschaftler das Gefühl, der Zug würde leicht zittern, manchmal sogar ein wenig holpern. So, als würde sich der komplette Berg ganz vorsichtig schütteln.
Unsinn...
An der Haltestelle Luftschiffhafen stand die Bahn der Räte. Mit zischenden Bremsen hielt er dahinter und sprang heraus. Als er den breiten Aufgang hoch hastete, bemerkte er, dass die Erde tatsächlich bebte. Sie schüttelte sich so stark, dass er umfiel. Aber nur für einen Moment. Dann herrschte wieder Stille.
Chöpal raffte sich auf und keuchte weiter. Sein Hass nahm ihm sämtliche Angst. Er würde einer Hafenwache das Gewehr entreißen und die Räte erschießen. Die Hafenwache würde ihm nichts antun, denn er war längst der Held des Volkes. Also auch ihrer...
Als er ins Freie trat, riss ihm der aufgekommene Wind den Schrei der Enttäuschung von den Lippen.
Die WANGCHUG, das Luftschiff der Großen Räte, stieg soeben auf. Sie schwebte bereits in fünfzig Metern Höhe.
***
Canduly Castle
Myrial wälzte sich unruhig im Bett hin und her. Albträume plagten sie. Sie sah sich im Zwielicht durch einen Winterwald rennen, ohne richtig vorwärtszukommen.
Orguudoo selbst war hinter ihr her! Das riesengroße schwarze Schemen mit der annähernd menschlichen Gestalt und den grellrot leuchtenden, tückischen Augen huschte hinter ihr durch die Bäume. Sie hörte sein gieriges Hecheln, sein gemeines Kichern, sah, wie sich seine Fratze in das Gesicht eines Exekutors mit fauligen Zähnen verwandelte, und spürte plötzlich ein Ziehen in der Brust. Der Böse griff bereits nach ihrer Seele!
Myrial schlug panisch um sich, schrie wie am Spieß – und fuhr aus dem Schlaf hoch. Schwer keuchend saß sie im Bett, schaute in das Halbdunkel ihres Zimmers, denn draußen dämmerte bereits der Morgen herauf, lauschte dem Heulen des Sturms vor ihrem Fenster und versuchte, ihren rasenden Herzschlag wieder zu beruhigen. Aber die schrecklichen Bilder standen noch zu deutlich vor ihrem geistigen Auge.
Sie wünschte sich in diesem Moment, Rulfan wäre mit ihr aufgewacht, würde sie in seinen starken Armen trösten und ihr gleichzeitig seine Körperwärme abgeben, denn sie fror innerlich und äußerlich.
Aber ihr Ehemann war mal wieder nicht da, weil er die Welt retten musste. Zum wievielten Mal eigentlich, seit sie ein Paar waren? Und das Dumme war, dass sie ihm auch noch ihren Segen dafür gegeben hatte! Nachdem der Rausch über die eigene Großmut verflogen war, bereute sie es längst schon wieder.
Hiergeblieben war dafür Juefaan, Rulfans zehnjähriger Sohn, von dem er selbst vor einigen Tagen noch nichts gewusst hatte. Den er mit einer anderen gezeugt hatte, einer Priesterin und Telepathin von den Dreizehn Inseln. Gut, das war lange vor ihrer gemeinsamen Zeit gewesen und sie konnte es ihm nicht zum Vorwurf machen. Zudem hatte
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