319 - Paris - verbotene Stadt
Chinesin nicht zu trauen war. Dylan sprach es aus: »Ich glaube dieser Schlange kein Wort.« Er starrte die Luke zwischen den beiden Männern hinter der Glaswand an. »Aber versuchen wir es wenigstens. Wir haben keine Wahl.«
Matt schwieg. Dafür meldete sich Grao zu Wort:
»Ach, übrigens: Wenn ihr euch wundert, dass ihr plötzlich Chinesisch verstehen und sogar sprechen könnt«, begann er, »das liegt an diesem Ding hier...«
Ein Spalt öffnete sich in seiner Stirnhaut, eine Dampfwolke quoll daraus hervor. Als sie verflogen war, sah Matt ein flaches, weiches Plättchen von der Größe eines kleinen Fingernagels. »Sie haben euch so einen Chip in den Nacken implantiert. Bei mir haben sie es auch versucht und sich dabei Verbrennungen zugezogen.«
»Dann wissen sie also...«, begann Matt, wurde aber von Grao unterbrochen.
»Dass ich ein Mutant bin, haben sie schon durch die Aufzeichnungen aus dem Krematorium herausgefunden«, sagte er rasch, und Matt verstand: Seine Identität als Außerirdischer hatte Grao nicht preisgegeben. »Deshalb nehmen sie mir auch die Fesseln nicht ab.«
Er hatte noch mehr verschwiegen; zum Beispiel, dass ihn einfache Gurte nicht halten konnten. Dank seines wandelbaren Körpers hätte er sich längst daraus hervorwinden können.
»Sie haben die einzig richtige Entscheidung getroffen, wie ich höre.« Durch das sich öffnende Schott betrat die junge Chinesin wieder den Raum. Sechs Bewaffnete folgten ihr. »Die Translatormodule unter Ihrer Nackenhaut werden Sie in den Stand versetzen, gleichermaßen mit unseren Soldaten und den französischen Rebellen zu sprechen. Das dürfte Verständigungsprobleme ausräumen.«
»Wie funktioniert das?« Matt erinnerte sich an die russischen Translatoren der Bunkerliga. Aber das waren klassische Übersetzungscomputer gewesen, die das Gesprochene mit Verzögerung in die jeweils andere Sprache übertragen hatten. [1]
»Die Module beeinflussen ihre Träger auf neuronaler Ebene«, erklärte die Chinesin. »Man denkt in seiner ursprünglichen Sprache, doch der Chip leitet die Nervenreize auf eine Weise an das Sprachzentrum weiter, die sie dort in das Idiom des Gesprächspartners verwandelt.« Die Chinesin griff sich in ihren Nacken. »Auch ich bin Translator-Trägerin, wie die meisten unserer Offiziere.«
»Man kann die fremde Sprache also auch sprechen ?«
»Akzentfrei.« Lächelnd entblößte sie die Zähne. »Bis auf einige seltene oder ausgestorbene irdische Sprachen. – Und nun folgen Sie mir bitte.« Die Chinesin wies auf das offene Schott. Ihre Sicherheitsmänner schoben Graos Liege zum Schott. »Wir haben gerade das europäische Festland erreicht. Der Rettungsgleiter, der Sie nach Paris bringen wird, wartet im Bordhangar. Und prägen Sie sich bitte die Tagesparole unserer Truppen ein: ›Roter Mond über Peking und Paris‹!«
***
Kurz nach Sonnenaufgang meldete das Bataillon im Westen des Stadtgebietes den Beginn seines Angriffs auf das chinesische Munitionslager. Angespannt beobachteten Jeanne und ihre Kämpfer den Horizont jenseits des Flughafengeländes. Etwa eine halbe Stunde verging, bis sich dort auf einmal eine rotglühende Kuppel in den Himmel wölbte und eine schwarze Rauchsäule aufstieg. Bruchteile von Sekunden später kam dann der Detonationsknall.
Der Angriff war erfolgreich, das Depot explodiert!
Jeanne aktivierte ihren Mobilport und hielt ihn an die Lippen. »Attacke!« Dann sprang sie auf und stürmte als Erste auf die Rodung hinaus und dem hohen Stahlgitterzaun entgegen. Laurent, Nikolas und andere Kämpfer überholten sie, deckten sie mit ihren Körpern. Von fern hörte man viele St. Gemains Kampfschreie ausstoßen.
Ein Röhren und Brausen erfüllte plötzlich die Luft – zwanzig Meter über ihnen schwebten in langgezogener Reihe die sieben Geschützgleiter, die Jeanne an der Seine zurückgelassen hatte. Ihr Feuerschlag glich einem Gewitterorkan. Der Himmel über Jeanne schien zu brennen. Eine Woge aus purer Hitze fegte den Angreifern entgegen, eine Sturmböe riss manchen von den Beinen. Und als das grelle Gleißen und Glühen verblasste, klafften auf einer Länge von fünf Kilometern sieben rauchende Lücken im Stahlgitterzaun.
Durch sie hindurch stürmten sämtliche Einheiten kurz darauf auf das Flugfeld. Zwei Truppentransporter schwebten über die Angreifer hinweg, von je zwei Geschützgleitern eskortiert. Die anderen drei Gleiter gaben den stürmenden Einheiten Feuerschutz. Die Truppentransporter landeten zwei
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