319 - Paris - verbotene Stadt
blendete ihn grelles Licht. Ein Schmerz wie von einem Stromstoß durchzuckte ihn und er verlor das Bewusstsein.
Stunden oder vielleicht auch nur Minuten später okkupierte ein Albtraum Matts Hirn: Er konnte sich nicht rühren und sah dicht über sich das knochige Gesicht eines Mannes schweben: Jacob Smythe. Der sprach mit irgendjemandem. »Diese Operationen waren überflüssig«, sagte Smythe. »Ich weiß nicht, was Sie sich davon versprechen. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Töten Sie ihn.«
Matt versuchte die Augen aufzureißen, um diesen schrecklichen Albtraum zu beenden – da merkte er, dass seine Augen gar nicht geschlossen waren. Folglich träumte er nicht, und folglich sah tatsächlich Jacob Smythe auf ihn herab; oder wenigstens ein Mann, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten war.
Matt spürte, dass Gurte ihn am ganzen Körper einschnürten und an eine Art Liege fesselten. Das Gesicht einer jungen Chinesin erschien neben Smythe. »Willkommen an Bord, Mr. Drax.« Das schöne Frauengesicht lächelte überaus gewinnend. »Wir sind unterwegs nach Europa. Das ist doch ganz in Ihrem Sinne, oder?«
***
Zehn Kilometer südlich des alten Flusshafens überquerte gegen Mitternacht Jeannes erste Kompanie die Seine. Die Kämpferinnen und Kämpfer benutzten zehn Flöße und zogen sich an einem Kunststoffseil ans andere Ufer, das ein Vorauskommando dort an einer alten Buche befestigt hatte.
Die Umgebung des Flughafens Orly war absolutes Sperrgebiet und wurde von den Chinesen entsprechend engmaschig bewacht – sowohl mit Patrouillen als auch mit Infrarot- und Laserortung. Zwar verfügte Jeannes Brigade über Gleiter mit modernstem Ortungsschutz, doch sie wollte kein Risiko eingehen und ließ daher die Flöße und Kajaks aus den Uferdepots und getarnten Kleinhäfen schleppen.
Lediglich drei große Transportgleiter und sieben Geschützgleiter hatte Jeanne mit an die Seine genommen. Die würden aber erst in einer späteren Phase des Vorstoßes eingreifen.
Ein Floß nach dem anderen kehrte mit jeweils nur drei Mann besetzt zurück. Am anderen Ufer schwärmten die etwa zweihundert Kämpfer aus, sicherten das Gelände, hielten Ausschau nach feindlichen Patrouillen und Aufklärungssonden. Eine Sonde schalteten sie aus und eine Patrouille aus zwei Panzergleitern ließen sie vorüberziehen. Nach einer Stunde schickte Jeanne die nächsten beiden Kompanien über die Seine.
Bis in das Morgengrauen hinein dauerte die Flussüberquerung. Schließlich schlichen vierzig Einheiten der ARF zu je vierzig bis fünfzig Mann durch den Wald. Eine Kompanie ließ Jeanne vorläufig bei den Transportern und den Geschützgleitern zurück.
Geduldig, annähernd unsichtbar und beinahe lautlos näherten sie sich dem vier Meter hohen Stahlgitterzaun, der den Flughafen umgab. Laurent und Nikolas wichen nicht von Jeannes Seite. Am Waldrand, vor der zweihundert Meter durchmessenden Rodung, die den Zaun umgab, ließ sie ihre Einheiten Deckung suchen und ausruhen. Erst bei Sonnenaufgang sollte das Bataillon das Munitions- und Treibstofflager im Westen der Stadt angreifen. Bis dahin blieben noch anderthalb Stunden Zeit.
Über einen Black Spyer auf ihrem Mobilport erzeugte sie eine Geheimschleife, die von den Chinesen nicht geortet und schon gar nicht abgehört werden konnte. Über die nahm sie Kontakt mit den Obristen der anderen drei Angriffstruppen auf.
Die Stoßtrupps am Flughafen Charles-de-Gaulle hatten ihre Angriffsserie inzwischen eingestellt und sich unter hohen Verlusten in getarnte Schächte und Ruinen zurückgezogen. Sie berichteten von starken chinesischen Verbänden, die im Nordwesten begonnen hatten, den brennenden Flughafen zu löschen, unbeschädigte Gebäude zu schützen und Jagd auf Rebellen zu machen.
Erste Spähtrupps des Bataillons im Westen der Stadt lagen bereits auf Sichtweite des Munitions- und Treibstofflagers. Rudolphos Kompanien benutzten die unterirdischen Tunnelsysteme entlang der alten Metro, um ins Stadtzentrum und zum Elysee-Palast zu gelangen. Acht Kilometer trennten ihre Vorhut noch vom Ziel, also etwa zwei Wegstunden.
»Irgendeine Geheimwaffe bauen sie dort.« Mit dem Feldstecher beobachtete Jeanne das Flugfeld jenseits des hohen Stahlgitterzauns. »Irgendeine verdammte Teufelei...« Sie war entschlossen, das Geheimnis der Chinesen zu lüften.
Wenig später zeigte sich endlich der rot glühende Rand der Morgensonne hinter den Wäldern am östlichen Horizont. Jeannes Gedanken kreisten um Dylan. Während
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