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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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langsam und mit Bedacht ausgesprochen wurden, damit man die Worte deutlich verstehen könne.
    „Was!“ flüsterte der Student seinen Gefährten zu. „Das ist ja deutsch!“
    „Ja“, nickte der Gottfried erstaunt. „Dat ist der traute Abendjruß unsrer jeliebten Muttersprache. Wie hat der sich in die olle Dschunke verirrt?“
    „Jedenfalls handelt es sich um eine Falle, welche man uns stellt. Man kennt zufällig diese beiden deutschen Worte. Werden ja sehen!“
    Und lauter antwortete er, gegen die Tür gerichtet: „Guten Abend! Wer ist draußen?“
    „Ein Freund“, antwortete es ebenso leise wie vorher.
    „Gut! Aber wer?“
    „Ein Unglücklicher, der auch gefangen ist.“
    Diese Worte wurden wieder so wie vorhin in ihre Silben abgeteilt und sehr langsam ausgesprochen, wie einer tut, welcher der betreffenden Sprache nicht ganz mächtig ist und doch gern verstanden sein will.
    „Das glaube ich nicht“, sagte der Methusalem. „Was wollen Sie?“
    „Hinein zu Ihnen.“
    „Pah! Bleiben Sie in Gottes Namen draußen!“
    „Ich bin wirklich Ihr Freund, das hören Sie ja daraus, daß ich deutsch spreche!“
    „Ein Verräter sind Sie! Sie sind jedenfalls der Lump, welcher sich für einen Malaien ausgegeben hat.“
    „Der Amerikaner, Ihr Diener? O nein! Ich bin ein Chinese.“
    „Und sprechen doch deutsch!“
    „Mein Herr hat es mich gelehrt.“
    „Wer ist das?“
    „Herr Sei-tei-nei in Hu-nan.“
    „Das ist Schwindel“, bemerkte Degenfeld leise zu seinen Gefährten. „Sei-tei-nei ist kein chinesisches Wort und kein chinesischer Name.“
    „Kenne das Wort auch nicht“, antwortete Turnerstick selbstbewußt. „Und einer, welcher alle chinesischen Dialekte so innehat wie ich, müßte es doch kennen, wenn es wirklich chinesisch wäre. Sei-tei-nei hat keine einzige von meinen fünf Endungen.“
    „Sehr richtig!“ lächelte der Student. „Man will es auf diese Weise mit uns versuchen, uns zutraulich machen. Das soll ihnen aber nicht gelingen. Freilich, wie so ein Halunke zu unsrer ehrlichen deutschen Sprache kommt, das kann ich nicht begreifen. Darum bin ich überzeugt, daß es der Yankee ist. Er gibt sich für einen Gefangenen aus und fordert Einlaß. Sobald wir öffneten, würden sich so viele hereindrängen, daß wir gar keinen Raum zur Gegenwehr fänden. Ich werde hören, was er weiter sagt. Die Chinesen würden einen Gefangenen wohl nicht frei umherlaufen lassen, so daß er Gelegenheit fände, sich hierher zu schleichen und heimlich sich mit uns zu unterhalten.“
    Gegen die Tür gewendet, fragte er weiter: „Wie kommen Sie denn in die Gefangenschaft der Seeräuber?“
    „Ganz so wie Sie: Ich hielt sie für ehrliche Leute.“
    „Wo trafen Sie die Dschunke?“
    „Im Hafen von Schanghai. Ich wollte in Geschäften nach Kanton und fuhr mit dem, ‚Schui-heu‘, weil man mir sagte, daß sie dorthin gehe. Erst unterwegs sah ich, unter welche Leute ich geraten war. Man ließ mir die Wahl zwischen dem Tod und dem Beitritt.“
    „Hm! So sind Sie Seeräuber geworden?“
    „Nur zum Schein!“
    „Und man läßt Sie frei umhergehen?“
    „Nur auf hoher See, im Hafen aber nicht. In Hongkong bin ich in den Unterraum geschlossen worden; sobald man aber den Anker gezogen hatte, durfte ich herauf.“
    „So! Wer ist bei Ihnen draußen vor der Tür?“
    „Niemand.“
    „Wirklich?“
    „Kein Mensch. Ich bin ganz allein.“
    „Aber man muß es doch sehen, daß Sie mit uns reden!“
    „Nein. Die Laternen wurden ausgelöscht. Es brennt keine einzige, da kein uns begegnendes Schiff uns sehen oder gar anrufen soll.“
    „Hm! Wo ist der Ho-tschang?“
    „Der schläft. Die andern Offiziere auch. Nur der To-kung steht hinten am Steuer.“
    „Und die Matrosen?“
    „Es sind nur drei Wachen an Deck. Die andern sollen alle ruhen, weil es mit Tagesanbruch viel zu tun geben wird.“
    „Werden Sie von diesen Wachen beobachtet?“
    „Nein. Einer steht oben am Innenbug; er kann mich also nicht sehen. Der zweite hält am Hintermast; seine Augen reichen nicht bis hierher. Und der dritte schläft am Mittelmast. Jedenfalls schlafen die beiden andern auch.“
    „Sonderbar! Fühlt man sich denn vor uns so sicher, daß man uns nicht einmal einen Posten vor die Tür gibt?“
    „Es wollte keiner her, weil Sie schießen. Man hat Ihre Tür so verrammelt, daß Sie nicht öffnen können.“
    „Und da fordern Sie uns auf, Sie zu uns hereinzulassen? Sie widersprechen sich.“
    „Nein, denn ich kann ja die Bambusstützen,

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