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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hunderttausend unglücklichen Nilpferden!“
    Er ergriff schleunigst die Flucht und retirierte sich an das äußerste Ende des Vorderschiffes.
    Nur der Chinese kann auf eine solche Erfindung verfallen. Der Räuber eines jeden andern Landes wagt sein Leben. Der chinesische Pirat besiegt seine Gegner mit Gestank!
    Es dauerte eine geraume Zeit, bevor dieser Geruch sich so verflüchtigt hatte, daß der Kapitän Beadle wieder auf das Mittelschiff herabkam.
    „Was nun?“ fragte er abermals. „Ich möchte wissen, wie die Kerls sich da unten befinden. Versuchen wir, die Luke zu öffnen!“
    Einige seiner Leute machten sich daran, diesen Befehl auszuführen. Kaum war es geschehen, so ergriff der Kapitän die Flucht schleunigst wieder. Die Luke glich einer Esse, aus welcher die Dämpfe der Hölle entstiegen. Man mußte wohl zehn Minuten vergehen lassen, ehe man ihr wieder nahen konnte.
    Nun galt es, nachzuforschen, welche Wirkung die Stinktöpfe gehabt hatten. Beadle wollte Freiwillige vortreten lassen. Da aber meinte Gottfried von Bouillon: „Nein, Sir, dat ist nicht nötig. Ich habe auch die meinige Ehre im Leibe und lasse mir nicht lumpen. Ich binde mir an einen Strick und nehme meine Oboe mit. Sobald ich blase, ziehen Sie mir wieder ans joldene Tageslicht. Die Oboe soll das Zeichen jeben, dat da unten nicht alles in jutem Zustande ist. Wer Opium jetrunken hat, der kann wohl auch Ammoniak vertragen. Mijnheer, halten Sie mir am Seile fest!“
    Er band sich einen Strick um den Leib, hielt sich das Taschentuch an die Nase und stieg mit dem Fagott in die Tiefe. Niemand hatte ihm abgeraten. Was er unternahm, war doch eine Heldentat. Er hatte nicht nur die Gase zu fürchten, sondern wohl noch mehr die Piraten, welche vielleicht nicht betäubt worden waren.
    Der Mijnheer hielt das andre Ende des Strickes und horchte. Da, wirklich, da hörte man unten einen ganz unbeschreiblichen Triller auf dem Fagott erschallen.
    „Ziehen Sie, Mijnheer, ziehen Sie!“ rief Turnerstick. „Er ist umgefallen. Er ist ohnmächtig!“
    Der Dicke zog aus Leibeskräften.
    „Het is zoo zwaar – Er ist so schwer!“ keuchte er.
    „So helfe ich mit. Aber ziehen Sie nur, sonst erstickt er.“
    Die beiden zogen fürchterlich. Ihre Gesichter wurden rot und immer röter, aber sie brachten den Verunglückten um keinen Zoll vorwärts. Da erschien in der Lukenöffnung erst das Fagott und dann der Gottfried selbst. Er hatte den Strick nicht mehr um den Leib und fragte im Ton der größten Verwunderung: „Aber Mijnheer, wat ziehen Sie denn so entsetzlich? Wat echauffieren Sie Ihnen denn so außerordentlich?“
    Der Dicke sah ihn verwundert an, ließ den Strick fallen, nahm die schottische Mütze ab, wischte sich den Schweiß von seinem Kahlkopf und antwortete: „Ik dacht, gij zijt daaraan!“
    „Nein, ich hänge nicht mehr daran, sondern ich habe das andre Ende unten an einen Balken gebunden.“
    „Rijpaard!“
    Er warf ihm dieses Wort mit einem zornigen Blick in das Gesicht und ging davon.
    „Herr Ziegenkopf, ich habe auch mitgezogen!“ rief Turnerstick. „Ich verbitte mir solche Jungenstreiche!“
    „Jungenstreiche? Wieso?“
    „Sie haben gesagt, daß wir sofort ziehen sollen, wenn Sie blasen!“
    „Ja dat ist meine Rede gewesen. Aber habe ich denn jeblasen?“
    „Ja, und wie!“
    „Nein, sondern ich habe jetrillert. Dat ist wat janz andres! Dat ist wat für een jeübtes musikalisches Jemüt. Mit dieses Trillern habe ich anjedeutet, daß meine Seele voller Jubel ist über dat, wat ich da unten jesehen habe. Jetrillert ist niemals jeblasen; merken Sie sich dat. Blasen kann mancher, auch den Kaffee; aberst trillern Sie ihn mich einmal!“
    „Sie sind ein unverbesserlicher Schlingel! Was haben Sie denn gesehen?“
    „Die janze Janitscharenmusik. Sie liegen kreuz und quer über- und durcheinander und wissen nicht, wohin ihre Jeistesjegenwart jeraten ist. Sie sind von die Stinktöpfe hypnotisiert worden.“
    „Wirklich?“
    „Wenn Sie es nicht glauben wollen, so jenen Sie jefälligst näher! Dann können Sie auch den Strick wieder vom Balken knüpfen, wofür er Ihnen sehr dankbar sein wird. Wegziehen haben Sie ihn doch nicht können.“
    Das war eine Botschaft, welche man so gern hörte, daß man ihm den kleinen Streich gern verzieh. Kapitän Beadle kommandierte seine Leute hinab. Es war so, wie der Gottfried gesagt hatte. Die Chinesen lagen besinnungslos und halb erstickt im Raum, in welchem es noch jetzt eine Luft gab, welche zum Husten und

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