321 - In 80 Welten durch den Tag
Drax ins Hirn, zerschmolz sein Bewusstsein, wirbelte Erinnerungen auf.
» Ich sage euch, gebt euren blinden Aktionismus endlich auf!«, rief Vogler. »Der Streiter wird kommen! Sein Schatten frisst uns alle!«
Zu seinem eigenen Entsetzen merkte Matt, wie tief die Worte ihn beeinflussten. Fast schien es ihm, als hätte der sonst so ausgeglichene Waldmensch Telepathie ausgeübt, und zwar nicht nur auf ihn. In der Runde sah er deutlich, wie die Stimmung kippte. Steintriebs eben noch zur Schau gestellte Begeisterung erlosch wie eine ausgeblasene Kerze.
»Vielleicht stimmt ja, was er sagt.« Quart’ol hob den Blick nicht von der Tischplatte, als traute er sich nicht, die anderen anzusehen. »Vielleicht ist alles vorbei und wir machen uns nur etwas vor...«
Matt wollte energisch widersprechen, doch ihm fehlte die Kraft dazu. Es war, als hätte Voglers Auftritt ihm alle positive Energie entzogen.
»Jetzt kommt mal wieder aus euren Löchern, Leute!«, ertönte da Xij Hamlets Stimme. »Der Waldmensch hatte einen Nervenzusammenbruch, okee? Das soll uns aber nicht daran hindern, den Streiter in einen Felsklotz zu verwandeln, oder?«
Matt lächelte ihr erleichtert zu. Steintrieb grinste schwach. Auch die Hydriten hoben die Blicke. Quart’ol reckte sich zu seiner vollen Größe. »Aber vielleicht sollten wir auch an einen Plan B denken«, sagte er vorsichtig. »Ich meine, falls das Splitten des Schusses nicht klappt. Immerhin haben wir seit der Entstehung der neuen Zeitblasen einen Weg, den Flächenräumer im Notfall zu verlassen.«
Matt sah, wie die Augen von Steintrieb aufleuchteten. »Daran hab ich auch schon gedacht«, sagte der. »Ich könnt nämlich schwören, dass ich in einer der Kugeln Atlantis gesehen hab. Atlantis, versteht ihr? Da gibt’s Technik bis zum Abwinken und Zeugs, das wir uns nichma vorstellen können.«
Ein Blitz. Weitere Erinnerungen, die aufstoben.
» Hast du dir schon überlegt, was du nach der Reparatur machst?«, fragte Xij. »Wirst du wirklich gehen?«
Steintrieb sah von seiner Arbeit auf. »Klar geh ich! Die Chance kann ich mir nicht entgehen lassen! In Atlantis wimmelt’s von supernützlichem Kram. Ich schaff’s schon irgendwie, die Zukunft zu euren Gunsten zu verbiegen.«
»Das wäre großartig«, sagte Matt, doch er glaubte nicht mehr so recht daran. Die Zeit war so ein vielschichtiges und kompliziertes Konstrukt, dass man ihr mit Logik nicht beikommen konnte.
Aber wie hieß es so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wenn es eine Person gab, der er die Energie und das Wissen zutraute, an der Schicksalsschraube zu drehen, dann war es Meinhart Steintrieb. Der Retrologe hatte schon oft Wege gefunden, wo andere aufgegeben hätten. Sein technischer Einfallsreichtum schien grenzenlos.
Blitz. Wirbelnde Erinnerungen.
Der Retrologe schnaufte. »Dann isses wohl so weit.« Er warf einen Blick auf die Zeitblase. »Bin gespannt, was mich da drüben erwartet.«
Matt nickte ihm zu. Er war sicher, dass Steintrieb nicht nur nach Atlantis ging, weil er versuchen wollte, die Zeitlinie zu ihren Gunsten zu verändern, sondern auch, weil er von Atlantis fasziniert war. Keine Frage: Er tat den Schritt gern.
Xij streckte Steintrieb die Hand entgegen. »Alles Gute. Pass auf dich auf.«
Er missachtete die Hand und drückte Xij fest an sich. »Machs auch gut, Kleine«, murmelte er. »Pass gut auf Matt auf.«
»Geht klar.«
Steintrieb löste sich von ihr und schloss Matt in die Arme. »War genial, dich kennenzulernen, Alter. Danke, Mann.«
Matt klopfte ihm auf die Schulter. »Ich habe zu danken, Meinhart.« Seine Kehle war wie zugeschnürt, er fand keine weiteren Worte. Steintrieb schien auch keine zu erwarten. »Das Seil«, sagte er zu Xij.
Xij holte ein bionetisches Seil hervor, das sich Steintrieb um die Hüften band, ehe er es packte. Matt vertäute es an einer Wandhalterung, bevor er und Xij danach griffen und es verkürzten, damit es unter Spannung stand. Steintrieb nickte ihnen zu, dann trat er samt dem Seil in die Blase hinein.
»Fort ist er«, sagte Xij mit belegter Stimme.
Ein letzter Blitz, dann kehrte Matt in die Gegenwart der weit entfernten Zukunft zurück.
Klatsch!
Ein Brennen entflammte auf Matts Wange.
Klatsch! Und noch einmal: Klatsch!
» Was... wo...?«, murmelte Matt. Er schlug die Augen auf und sah in Xijs strahlendes Gesicht.
»Na endlich!«, sagte sie. »Ich dachte schon, du willst heute gar nicht mehr aufstehen.«
Erst, als sich auch Tom Ericson über ihn
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