324 - Eine neue Chance
nur, weil sie eine Geistwanderin und mein altes Ich ist.
Außerdem musste sie sich um das Superior Magtron kümmern, das sie unbeaufsichtigt zurückgelassen hatte. Die nächsten Minuten konnten über die Zukunft der Erde entscheiden, da musste sie dort sein, wo Matt sie erwartete.
Atemlos hastete sie durch den äußeren Ring zurück.
***
»Es klappt nicht.« Matts Stimme klang gepresst. Am liebsten hätte er geschrien oder auf etwas eingeschlagen. Die Ladeanzeige stand bei fünfundneunzig Prozent. Gleich konnte der Schuss auf den Streiter ausgelöst werden – doch Takeo bemerkte ihn – beziehungsweise seine mentalen Versuche einer Kontaktaufnahme – nicht. War seine Bewegung vorhin denn nur ein Zufall gewesen? Es musste so sein.
Matt hörte Schritte vom Zugang des Tunnels und trat aus dem Androidenkörper hinaus. Er sah sich selbst mit Xij auf den Armen hereinkommen. Jetzt schon? Verwirrt blickte er zum Zeitindex des Monitors.
Ich bin zu früh dran, erkannte er verwirrt, gefolgt von der Erkenntnis, dass Xij nicht nackt war und er ihre Kleider auch nicht zusammengerafft bei sich trug. Was läuft hier ab?
Im nächsten Moment kam eine zweite Xij um die Gangbiegung; eine, deren Konturen fest waren.
Matt schauderte, als ihm die Konsequenz seiner Beobachtung klar wurde. In der ersten Zeitlinie war er bei der Ankunft in der Zentrale Zeuge geworden, wie sich der Streiter vom Mond löste und seinen Weg zur Erde wieder aufnahm. Das Bild auf dem Bionetikschirm würde er niemals vergessen. Schwarz leuchtende Schlangen zuckten in alles verschlingender Dunkelheit.
Er vertrieb die Erinnerung und wandte sich an Xij. »Was geht hier vor?«, blaffte er sie an, unfreundlicher als beabsichtigt. Seine Nerven lagen blank.
Xij starrte auf die Anzeigen. »Ist der Flächenräumer voll aufgeladen?«, fragte sie, anstatt eine Antwort zu geben.
»So gut wie«, knurrte Grao. Der Daa’mure stand neben der Zieloptik und sah zwischen Matt und Xij hin und her. Kein Wunder, dass er nicht begriff; er war zu diesem Zeitpunkt in der früheren Zeitlinie bewusstlos gewesen.
»Sag schon!«, drängte Matt. »Warum bin ich... sind wir früher hier als damals?«
Xij schüttelte den Kopf. »Ich habe uns ein paar Minuten Extrazeit verschafft. Frag jetzt nicht, wie, das erkläre ich später. Wir müssen jetzt den Schuss auslösen!«
Matt ließ den Kopf hängen. »Das ist unmöglich«, sagte er mit heiserer Stimme. »Wir haben in dieser Zeit keine Substanz. Keiner von uns kann den Knopf drücken. Ich habe versucht, in Takeo einzutauchen und seinen Blick auf die Anzeigen zu lenken, doch er reagiert nicht.«
Xijs packte seine Hand. »Du musst in dich selbst eintauchen, nicht in Takeo! Ich...« Ihre Wangen röteten sich. »Sei nicht sauer, aber ich war vorhin bei der anderen Xij – und ich konnte sie beeinflussen!«
Matt war weit davon entfernt, wütend zu werden. Er starrte auf sein zweites Ich, das die bewusstlose Xij zu Boden gelegt hatte, nun neben Takeo stand und sich über die jüngsten Vorfälle austauschte. »Du meinst, das könnte mir auch gelingen?«, fragte er wie elektrisiert.
»Natürlich!«, stieß sie hervor. »Versuch es!«
Die Wahrheit gab sie nicht preis: dass sie vermutlich nur wegen der besonderen mentalen Verknüpfung mit Manil’bud Kontakt bekommen hatte. Matt das zu sagen hätte bedeutet, Zweifel in ihn zu säen. Er musste glauben , es schaffen zu können. Das war ihre einzige und vermutlich letzte Chance.
Matt zögerte nicht länger und trat vor, in sein anderes Ich hinein. Er blickte vor sich auf den Monitor, wo sich der Streiter noch immer nicht regte. Die Zieloptik lag unverändert über der Entität.
Schau auf die Ladestandsanzeige!, beschwor Matt sein zweites Ich. Schau nach links oben! Der Flächenräumer ist voll aufgeladen!
Der alternative Matt verstummte plötzlich. Takeo sah ihn fragend an. »Was ist los, Matt?«
Der Angesprochene antwortete nicht. Spürte er etwas?
»Dreh den Kopf«, sagte Matt laut. »Dreh den Kopf und sieh auf die Anzeigen!«
Xij hielt den Atem an, und auch Grao trat gespannt näher. Seine Augen waren geweitet.
»Tu es!«, brüllte Matt. Die Adern an seinen Schläfen traten hervor, so stark konzentrierte er sich. In dem Befehl lagen alle Wut und Verzweiflung, die sich in den letzten Wochen angestaut hatten, seit der Streiter die Erde verwüstet und sie durch das Zeitportal entkommen waren. »Schau hin, verflucht noch mal!«
Wie in Zeitlupe bewegte Matt den Kopf – und sein zweites
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