324 - Eine neue Chance
umgebracht?
»Ich werde paranoid«, flüsterte sie in die Strömung. Sie fühlte sich benommen, ein großer Druck bahnte sich in ihrem Kopf an und nahm beständig zu.
»Die Wachen werden sich kümmern, wenn etwas passiert ist.« Es waren genügend von ihnen unterwegs, versuchte sich E’fah zu beruhigen.
Das schrille Geräusch von Werkzeugen unterbrach die Stille und lenkte E’fah von dem drückenden Gefühl im Gehirn ab. Sie folgte dem Lärm neugierig, kam aus einer Muschelstraße heraus, die noch Schäden von der Schlacht aufwies, und erreichte einen freien Prunkplatz, ein Stück entfernt vom Hydrosseum.
Auf mehreren künstlich geschaffenen Bionetik-Plattformen sollten verschiedene Szenen aus den Legenden über das Leben Ei’dons nachgebildet werden. Eine davon war bereits vollendet und zeigte Ei’don in einer kleinen Stadt, die der Sage nach von Mar’osianern überrannt worden war. Ei’don selbst war in dieser Fassung als Junghydrit dargestellt. Mit einer Länge von einem halben Schwimmzug überragte er die als Miniatur dargestellten kugelförmigen Bionetikbauten der Stadt.
Gut fünfzig Hydriten arbeiteten an den Gerüsten, die die noch nachgiebigen Plattformen hielten. Viele hatten Werkzeuge dabei, um das noch nicht ganz ausgehärtete Material zu bearbeiten. Es sollte ein Kunstwerk entstehen, eine Restaurierung, denn das ursprüngliche Denkmal war im Kampf gegen Dry’tor zerstört worden.
Es sind keine Quan’rill dabei , dachte E’fah und beobachtete einen Arbeiter, der eben mit einer langen Metallspitze in das Material eintauchte, um dessen derzeitigen Festigungsstand zu prüfen. Der Streiter kann ihnen nichts anhaben. Welche Ironie, dass die gesamte Führungsschicht beeinträchtigt wird, während gewöhnliche Hydriten keinen Schaden nehmen. Wenn der Zustand länger anhält, könnte es zu gesellschaftlichen Umwälzungen kommen.
In ihrem Schädel wummert es. Sie presste die Hände gegen den Kopf, ließ sich neben eine Anemone sinken und beobachtete die Bauarbeiten. Flüchtig dachte sie an Ner’je und das Versprechen, das sie einander gegeben hatten: Beide hatten aufeinander aufpassen wollen. Doch schon vor einer Phase hatte die Rätin sich zurückgezogen und eingeschlossen.
Der HydRat ist nicht mehr handlungsfähig. Was sollte er auch tun?
Der Druck in ihrem Hirn nahm weiter zu. E’fah ließ ihre Umgebung vor den Augen zerfließen, ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren. Gurgelnd sog sie das Wasser durch die Kiemen ein und kämpfte gegen den Schmerz an. Sicher wurde es gleich besser.
Doch es wurde schlimmer. Schlaglichtartig sah sie verschwommene Eindrücke vor sich: eine helle Oberfläche, zerklüftet; dunkle Schwärze: ein Geschöpf, das wie ein riesiger Rochen mit unzähligen Augen aussah.
E’fah schüttelte den Kopf und stöhnte auf. Der Lärm der Geräte schien lauter zu werden, die Messspitze aus Metall stieß gleichzeitig in eine weitere Plattform und in E’fahs Stirn. Sie klackte gequält. Die Schmerzen nahmen rapide zu.
Ich muss zur medizinischen Station. E’fah versuchte sich abzustoßen und scheiterte. Eine große Mattigkeit kam über sie. Erschöpft ließ sie jeden Muskel entspannen. Mir kann in der Station keiner helfen, die Schalen sind überfüllt. Es wird schon gehen.
Tapfer kämpfte sie gegen das Stechen und Brennen an. Vergeblich. Das Bild des entstehenden Ei’don-Denkmals zerfloss erneut. Vor den Augen sah sie schwarze, zuckende Schlangen, die sich wanden. Schlangen, die alles zu verschlingen drohten, Kontinente wie Meere.
Es ist so weit , durchzuckte es sie. Der Streiter hat die Erde erreicht.
War dies ihr Ende? Vielleicht sogar wirklich das von Matthew Drax angekündigte Ende der Welt?
Ihre Brust zog sich schmerzhaft zusammen, der Scheitelkamm hing schlaff herab. Sie vermisste Gilam’esh. Wenn er nur bei ihr gewesen wäre. Der Hydree hatte ihr vergeben, auch wenn sie eine Ei’don-Brüchige war. Warum war sie dem Geliebten nicht zum Südpol gefolgt?
Ich habe gehofft, er kommt zurück, und wusste doch, dass ich mich belüge. Gilam’esh ist verloren, wie alle in Hykton und in den Meeren.
Das Wasser schmeckte plötzlich bitter, wie Metall. Etwas veränderte sich.
Von einem Augenblick auf den anderen begann das Schreien. Es kreischte in E’fahs Gedanken, klackte und schnalzte um sie herum. Jedes Geräusch nahm an Intensität zu. Sie meinte das Wasser kochen zu hören, als Hydriten aus den Wohntürmen quollen.
Bei allen Meeren... , war E’fahs letzter klarer
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