325 - Gefahr aus dem All
aus Körpermasse bestand. In der Zwischenzeit behinderte ihn die Kälte aber auch trotz der Fellmäntel so stark, dass er immer langsamer vorankam.
Grao schüttelte sich. Einen Moment lang starrte er in die Sonne, die knapp über dem Horizont stand. Ununterbrochen, seit vielen Tagen. Und sie würde es viele weitere Tage tun, so lange, bis der Sommer vom Winter abgelöst wurde. Aber sie wärmte ihn nicht.
Weitere starke Böen erreichten ihn und verdichteten sich allmählich zu einem dieser pfeifenden und jaulenden Stürme, die er so sehr fürchtete, weil deren Eiseskälte seine innere Hitze einzufrieren schien und ihn noch steifer und damit unbeweglicher machte, als er ohnehin schon war. Es gab nur eine Möglichkeit für ihn, diese Luftbewegungen einigermaßen heil zu überstehen.
Mit den messerscharfen Krallen seiner Hände brach er das Eis vor sich auf. Brocken um Brocken flog nach hinten weg, als er fast wie ein Hund scharrte, um sich eine kleine Höhle unter dem Eis zu schaffen. Zwei Minuten brauchte er, dann kroch er erschöpft in seine Notbehausung und deckte den Eingang mit einer großen Eisplatte ab, die er zuvor aus der Oberfläche gestanzt hatte. Er hoffte, dass es in wenigen Minuten ein bisschen wärmer um ihn würde. Warm genug jedenfalls, um sich zu erholen.
Der Daa’mure lauschte dem Heulen des Sturms und registrierte, dass es allmählich finster wurde. Innerhalb kürzester Zeit hatten sich dunkle Wolken gebildet, die der Wind vor die Sonne jagte und aus denen es vielleicht sogar schneien würde.
Er lag auf dem Rücken, starrte ins Zwielicht und verfluchte zum sicher tausendsten Mal das Schicksal, das Aruula so plötzlich beim Flächenräumer hatte auftauchen lassen. Dabei hatte er sie längst tot gewähnt. Irgendjemand musste sie aus der Höhle gerettet haben, in der er sie zum Sterben zurückgelassen hatte. Sie und ihren barbarischen Begleiter.
Bis zu Aruulas Ankunft hatte Mefju’drex nichts von den Vorgängen geahnt, die letztlich dazu führten, dass sich Grao zum Südpol aufmachte, um die Menschen und Marsianer dort im Kampf gegen den Streiter zu unterstützen. Natürlich nicht, weil sie ihm so am Herzen lagen. Sondern weil der Streiter vernichtet werden musste, bevor er weiterziehen konnte, um die Jagd auf Graos Gott und sein Volk fortzusetzen.
Nachdem Aruula seine Taten offen gelegt hatte, war an einen weiteren Verbleib nicht mehr zu denken. Er hatte den Flächenräumer schnellstens verlassen. Wenigstens sein Leben war ihm geblieben – weil der ehemalige Primärfeind Mefju’drex sich für ihn eingesetzt hatte.
Unbewusst schüttelte Grao’sil’aana in einer menschlichen Geste den Kopf. Einige dieser Primärrassenvertreter hatten undurchschaubare Prinzipien; Begriffe wie Ehre, Dankbarkeit oder Vergebung, die ein Daa’mure nicht nachvollziehen konnte.
Gut, er hätte kämpfen und versuchen können, sie alle zu töten. Doch erstens wäre er nicht gegen den Maschinenmann Miki Takeo angekommen. Und zweitens – und das verwirrte ihn mehr als alles andere – stellte er die Notwendigkeit in Frage.
Ob es an dem Verbund lag, den er zusammen mit Mefju’drex und Xij in den letzten Monaten gebildet hatte? Sicher, für ihn war es reines Mittel zum Zweck gewesen, sich den beiden anzuschließen – aber dass ihn diese Partnerschaft über die Erfüllung des Plans hinaus noch tangierte, verwunderte ihn doch.
Er rief sich zur Ordnung: Diese Gedanken brachten nichts und verwirrten ihn nur. Da der Streiter besiegt war, war eine Zusammenarbeit mit den Primärrassenvertretern nicht mehr zwingend erforderlich. Auch wenn es wesentlich angenehmer und sicherer gewesen wäre, den Südpol im Mondshuttle zu verlassen, als auf diese elende Art und Weise... jetzt, da sein bisheriges Transportmittel Thgáan vom Streiter eliminiert worden war.
Graos Gedanken verbissen sich in Details, um der Langeweile Herr zu werden, wie so oft in den dreiundsechzig Stunden, die er jetzt schon unterwegs war.
Auf den Dreizehn Inseln hatte diese unerfreuliche Episode begonnen. Dort hatte er in Gestalt des Händlers Hermon Mefju’drex und Aruula erwartet, um Rache für sein Mündel Daa’tan zu nehmen, den die beiden gemeinsam auf dem Gewissen hatten. So sah er es jedenfalls. Die Kriegerin Bahafaa war in dieser Zeit des Wartens seine Gefährtin geworden und verfeindeten Nordmännern zum Opfer gefallen.
Wer hätte es je für möglich gehalten, dass mir das Schicksal eines Menschen nicht gleichgültig ist.
Er hatte Rache für
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