Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
329 - Die Fährte der Roboter

329 - Die Fährte der Roboter

Titel: 329 - Die Fährte der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Vennemann
Vom Netzwerk:
von Cancún entfernt, wie der Computer errechnet hatte. Davon hatten sie nun dreihundertsiebzig Kilometer zurückgelegt.
    Yucatán war einst die Hochburg der geheimnisvollen Inka gewesen. Noch heute waren überall Überreste der Bauwerke ihrer Kultur im diffusen Morgenlicht zu erkennen: überwucherte Ruinen von Stufenpyramiden, weite Plätze, die sich der Dschungel zurückerobert hatte.
    Das alles hätte märchenhaft aussehen können, wären da nicht die spektakulären Schönheitsfehler gewesen, die sich deutlich auf den Monitoren zeigten.
    »Also entweder habe ich einen Knick in der Optik, oder...« Xij brach ab. Was sie sahen, war zu unglaublich, um es in Worte zu fassen.
    »Nein, ich sehe es auch.« Matthew drosselte die Geschwindigkeit und stoppte das Shuttle in einer Höhe von hundert Metern über dem Boden.
    Die Landschaft, die sich vor ihnen ausbreitete, sah aus wie... Matt dachte an bedruckte Plastikfolie, die man auseinanderzureißen versucht hatte. Von oben wirkte es so, als habe jemand den Landstrich an der Küste, der vor ihnen lag, wie einen Kaugummi oder einen Teig ausgewalzt. Irrwitzig breite Bäume sahen aus, als wären sie spiralförmig in einen Tornado hineingewachsen. Andere Gewächse wirkten wie gestaucht. Im Dickicht des Dschungels hatten sich Strudel gebildet, mitten in der Bewegung erstarrt. Ein kilometerlanges Delta, das wohl einmal ein schmaler Strand gewesen war, ragte ins Landesinnere hinein. Sämtliche Dimensionen schienen sich verschoben zu haben, als betrachte man die Welt durch ein Kaleidoskop.
    Das Bizarrste an dem Anblick war aber, dass Matt Drax ihn schon einmal gesehen zu haben glaubte, nur nicht so flächendeckend und von oben.
    »Täusche ich mich«, murmelte nun auch Xij Hamlet, »oder haben wir so was schon mal gesehen?«
    Matt antwortete nicht gleich. Er hatte groteske Mutationen in der albtraumhaften Landschaft entdeckt. An den Stränden saßen kleine nackthäutige Tiere, die aussahen wie gerupfte und geköpfte Truthähne. Sie waren etwa so groß wie Ziegen und hatten Welsgesichter, die wie aufgemalt wirkten. Aus ihren Mäulern baumelten lange Barteln, die sie ins Wasser hielten. Waren sie auf der Jagd?
    Irgendetwas Längliches robbte über eine Freifläche, das aussah wie ein Klumpen waberndes Fleisch. Ein Vogel, der einen Körper wie eine Harpune besaß, stieß herab und spießte das seltsame Gebilde auf.
    Miki Takeo räusperte sich hinter ihnen. »Könnte mir mal jemand erklären, was ihr meint?«, fragte er.
    »Diese Verzerrungen...«, begann Matt. »Wir haben sie auf unserer Reise durch die Parallelwelten schon einmal gesehen. Damals, als wir durch ein Tor des zeitlosen Raumes gingen.«
    »Die Landschaft wurde durch das Tor eingesogen«, ergänzte Xij. »Es war außer Kontrolle geraten. Fast wären wir ihm auch zum Opfer gefallen.« [5]
    »Ihr habt davon erzählt«, erinnerte sich Miki, rief die gespeicherten Informationen ab und fügte leidenschaftslos hinzu: »Diese Verzerrung der Landschaft ist identisch mit eurer damaligen Beobachtung? Gibt es hier also ein weiteres entartetes Tor?«
    Matt schüttelte den Kopf. »Nein, nicht mehr. Der Sog ist zum Stillstand gekommen – schon vor langer Zeit, wenn ich sehe, wie sich das Leben hier etabliert hat. Das Tor wurde verschlossen, vermutlich durch unseren Freund Tom Ericson. Aber...«, er stockte einen Moment, »… was zum Teufel hat es zu bedeuten, wenn die Peilung des fremden Funksignals mitten in dieser Zone liegt?«
    »›Mitten‹ trifft es genau«, ließ sich Takeo vernehmen. »Anhand der kreisförmigen Ausdehnung der Verzerrung habe ich Campeche in exakt fünfzig Kilometern Entfernung als ihr Zentrum errechnet.«
    Es dauerte einige Minuten, bis die Gefährten die neue Lage verarbeitet und sich entschieden hatten, weiterzufliegen. Ins Zentrum der Verzerrung. Eine Gefahr konnte von dem versiegelten Tor immerhin nicht mehr ausgehen, und sie wollten Campeche noch vor den Metallos erreichen.
    Nach einer weiteren halben Stunde Schleichflug – die Sonne war inzwischen aufgegangen – kam die Stadt an der Westküste Yucatáns in Sicht. In einiger Entfernung, in etwa vier Kilometern, ragte der Kegel eines erloschenen Vulkans auf.
    Hier traten die Verzerrungen der Landschaft noch stärker zutage. Man sah deutlich, dass alles zu einem Mittelpunkt hin strebte. Der Sog musste ungeheuerlich gewesen sein. Was würden sie dort vorfinden?
    »Wir sollten nicht bis ins Zentrum vorstoßen«, sagte Matt und drosselte das Tempo weiter.

Weitere Kostenlose Bücher