329 - Die Fährte der Roboter
hatten beinahe vermutet, ihr wäret schon aufgebrochen«, erklang eine kraftlose Stimme hinter ihnen.
Es waren Diandro und Gilbeeto, die sich dem Shuttle näherten. Die Indios blieben auf Abstand. Matthew konnte es ihnen nicht verdenken. Obwohl Miki in den letzten Stunden vieles gutgemacht hatte, war sein Wüten in den Gassen Cancúns nicht vergessen.
»Wir wollten euch noch einmal für eure Hilfe danken«, sagte Gilbeeto. Seine Stimme klang genauso kraftlos wie die seines Vaters, aber auch nicht vollkommen verzweifelt. »Auch wenn diese Hilfe nicht alles zum Guten wenden konnte, so hätten die Metallos ohne euch noch mehr Schaden angerichtet...«
»Wie geht es Itzel?«, fragte Matt. Er hatte die schlimme Nachricht vom Tod ihres Too’tems bereits erfahren. »Gibt es denn gar keine Möglichkeit, sie wieder aus der Großen Leere zurückzuholen?«
Diandro presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »In seltenen Fällen sucht sich nach dem Tod eines Too’tems eine andere Schlange den Träger aus, der es verloren hat. Aber die Chancen sind gering. Und auch dann wird der Mensch nie mehr derselbe sein wie früher. Seine Persönlichkeit ist auf immer verloren.« Der Indio seufzte. »Immerhin kann Noorita bei unserer Nachbarin bleiben, bis sie nicht mehr gestillt werden muss. Danach werden wir uns um sie kümmern.«
»Und wie geht es dir, Gilbeeto?« Matt konnte sich gut vorstellen, welche Selbstzweifel an dem Jungen nagen mussten. Es waren die Kugeln aus seiner Waffe gewesen, die das Too’tem seiner Mutter zerfetzt hatten.
Der junge Indio zuckte nur mit den Schultern. »Mi madre wäre auch in der Großen Leere gefangen gewesen, wenn die Metallos ihr Too’tem mitgenommen hätten.« Zu Matts Überraschung wirkte Gilbeeto ziemlich gleichgültig, als er es sagte. »Es macht keinen Unterschied.«
Ob es die Göttlichen Stimmen sind, die ihm das einreden? , fragte sich der Mann aus der Vergangenheit. Ihm fiel keine bessere Erklärung dafür ein, dass Gilbeeto derart emotionslos auf den Zustand seiner Mutter reagierte.
Obwohl es gewiss nicht der richtige Moment war, um darüber zu reden, drängte es Matt, endlich einen Verdacht bestätigt zu bekommen, der ihn schon seit geraumer Zeit beschäftigte. Es war die logische Schlussfolgerung aus allem, was er über die Cancuun und ihre Schlangen bislang erfahren hatte.
Er wandte sich an Diandro.
»Es sind die Schlangen, die euch die Seele geben, richtig?«, versuchte er seine Vermutung in Worte zu fassen. »Ohne sie seid ihr nicht fähig zu denken.«
Der Indio schrak zusammen. War es ein Tabu, das Matt verletzte? Egal; er wollte Gewissheit. Diese »Große Leere« konnte nichts anderes sein als der Verlust jeglicher Intelligenz. Irgendwie und irgendwann mussten die Schlangen mit den Indios eine Symbiose eingegangen sein, in der sie die Menschen als ihre Werkzeuge benutzten – als ihre Arme und Beine.
»Ohne unsere Too’tems sind wir nichts«, bestätigte Diandro. »Unser Geist ist leer, bevor sie ihn segnen. Und er kehrt in die Große Leere zurück, wenn sie uns verlassen.«
Matt schauderte, obwohl ihm nur bestätigt wurde, was er schon geahnt hatte: Die wahren Bewohner von Cancún waren die Schlangen! Die Menschen hier waren nur Hüllen, die sie nach ihrem Willen bewegten. Aber wenigstens ließen sie die Indios in dem Glauben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Diese Illusion wollte auch Matt nicht zerstören, daher behielt er gegenüber Diandro und Gilbeeto seine Erkenntnis für sich.
Sie redeten noch eine Weile, um sich zu verabschieden. Als eine Stunde nach Mitternacht tatsächlich der Regen einsetzte, war alles gesagt worden, was es noch zu sagen gab, und während die Feuer in Cancún langsam verloschen, hob das Shuttle mit Matthew Drax, Xij Hamlet und Miki Takeo an Bord ab, um der Fährte der Roboter zu folgen.
Epilog
»Was zur Hölle...?«
Matt und Xij starrten auf die Monitore und durch das Cockpitfenster des Mondshuttles. Seit ihrem Aufbruch aus Cancún waren erst ein paar Stunden vergangen, aber es war ihnen trotz der nächtlichen Dunkelheit möglich gewesen, problemlos den Spuren der Metallos zu folgen. Die Furchen im Urwald waren mit den Restlichtverstärkern gut zu erkennen gewesen, und wie vorausgesehen, waren sie in nordwestlicher Richtung in die Region Yucatán vorgedrungen. Die Raumfähre hatte die Roboter längst überholt und näherte sich nun der von Takeo ermittelten Position.
Campeche lag vierhundertzwanzig Kilometer Luftlinie
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