33 - Am Stillen Ozean
zu atmen vermochten; dann gab man uns pantomimisch zu verstehen, daß wir uns setzen sollten. Ich nahm grad zwischen den Knien des Kriegsgottes Platz, da ich dort die möglichste Bequemlichkeit erwartete und nur von vorn angegriffen werden konnte. Der Kapitän setzte sich neben den grimmigen Stallmeister, dessen Figur er sehr aufmerksam betrachtete.
„Was meint Ihr wohl, Charley“, fragte er mich, „ob das fürchterliche Schwert, auf welches sich dieser Götze stützt, wirklich von gutem Stahl ist?“
„Ob von Stahl, das ist zweifelhaft, von Eisen aber jedenfalls, wie Ihr sehr leicht erkennen könnt.“
„Well! Da steht der Kerl so eine lange Zeit, ohne einen guten Hieb zu versuchen. Ich denke, daß ich ihm einmal zeigen werde, wozu man eigentlich einen Säbel in die Hand bekommt. Oder wollt Ihr vielleicht in dieser Mausefalle steckenbleiben?“
„So lange es Euch gefällt, bleibe ich auch. Gute Kameraden dürfen einander nicht verlassen.“
„So wollen wir machen, daß wir fortkommen!“
„Bringt Ihr den Strick entzwei?“
„All devils, ja, daran habe ich nicht gedacht! Aber könnten wir uns nicht mit einer Anzahl guter Fußtritte hindurchzwingen?“
„Geht nicht, Käpt'n! Denkt einmal: zwanzig Mann waren vor uns da; dreizehn kamen mit uns, macht dreiunddreißig. Es ist unmöglich, uns ohne Waffen durchzuschlagen, selbst wenn wir nicht gefesselt wären. Jeder zwei Revolver, das wären vierundzwanzig Schüsse – vielleicht der einzige Weg, uns frei zu machen; aber erstens haben wir unsere Drehpistolen nicht und zweitens sehe ich keinen Grund, ein Blutbad anzurichten. Übrigens ist es sehr leicht möglich, daß sie unsere Revolver zu gebrauchen verstehen, und dann wäre der Ausgang des Kampfes für uns jedenfalls unglücklicher. Ihr wißt ja: viele Hunde sind des Hasen Tod!“
„Wenn man nämlich ein Hase ist, Charley; versteht Ihr mich?“
„In diesem Fall verstehe ich Euch allerdings nicht, zumal Ihr sehr genau wißt, daß ich kein Hasenfuß bin. Man kann Entschlossenheit besitzen, ohne grade tollkühn zu sein.“
„Well; so tut, was Ihr wollt! Ich werde Euch gehorchen.“
„Wir werden ja mit diesen Leuten sprechen, und wenn sie keinen Verstand zeigen, ist es auch noch Zeit, an Gewaltmaßregeln zu denken.“
„Richtig; gesprochen muß mit ihnen werden! Aber das werdet Ihr nicht tun, sondern ich werde sie selbst vornehmen, und zwar so, daß sie genau erfahren sollen, woran sie mit uns sind. Soll ich anfangen?“
„Wartet noch ein wenig! Wie ich sehe, stehen sie eben im Begriff, die Unterhaltung zu eröffnen.“
„Sollen merken, in welcher Weise sich ein Seemann mit solchen Schlang-, Schleng-, Schlong-, Schlung-, Schlingels zu unterhalten hat!“
Während unsers Gesprächs hatte man eine kurze Beratung gehalten. Jetzt trat einer der Männer näher und redete uns in gebrochenem Englisch an. Er mochte der einzige sein, welcher dieser Sprache in etwa mächtig war. „Wer seid ihr?“
„Wer wir sind? Hm, Leute sind wir natürlich?“ antwortete Turnerstick mit sehr verheißungsvoll knurrender Stimme.
„Was seid ihr?“
„Was wir sind? Hm, immer noch Leute, natürlich!“
„Wie heißt ihr?“
„Tut nichts zur Sache, mein Junge.“
„Du wirst antworten, wenn ich dich frage; sonst werden wir dir das Reden lernen!“
„Müßte nicht übel klingen, old blunt nose!“
Sich ‚alte Stumpfnase‘ von seinem Gefangenen titulieren zu lassen, schien sehr gegen die Absicht des Chinesen zu sein. Er trat hart an den Kapitän heran und erhob drohend die Faust.
„Soll ich dich niederschlagen, Mensch?“
Die Brauen des Kapitäns zogen sich zusammen, und mit dem lautesten Schall seiner Stimme donnerte er:
„Away – ffffforrrrt!“
Der Chinese erschrak bei diesem Ton so, als hätte der Blitz vor ihm niedergeschlagen und sprang mehrere Schritte zurück.
„Komm noch einmal so weit heran“, drohte Turnerstick, „so blase ich dich in die Luft, du Flaumfedersperling!“
Er befand sich ganz in der Stimmung, ein ganzes Register von Drohungen loszulassen, hielt aber bereits nach dem letzten Kraftwort inne, denn hart hinter uns erhob sich eine weibliche Stimme:
„Help, períodos los santos! Help, Mesch'schurs!“
Die halb spanischen und halb amerikanischen Worte wurden jedenfalls hinter der Mauer gerufen, vor welcher sich die drei Götterbilder befanden; die Hilfesuchende war sicher keine andere als die gefangene Portugiesin, welche das Gespräch vernommen und daraus auf die
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