33 - Am Stillen Ozean
Kiang-lu.“
„Wird dein Bericht dann bei ihm angekommen sein? Der Tsiang-ki-um sieht streng auf Pünktlichkeit.“
„Du hast mir keine Lehren zu geben, sondern nur zu tun, was ich dir befehle!“
„So gib mir den Schlüssel!“
Diese Forderung, so einfach und selbstverständlich sie war, harmonierte nicht mit meinen Absichten, doch war ich, um alles Mißtrauen zu vermeiden, gezwungen, ihr zu entsprechen.
„Hier ist der Drücker, aber ich gebiete dir, diese Tür nicht eher zu öffnen, als bis der Tag angebrochen ist.“
„Welchen Namen soll ich beim Tsiang-ki-um nennen, wenn ich von dir spreche?“
Ich konnte keinen andern nennen als denjenigen, welchen mir Kong-ni gegeben hatte:
„Ich heiße Kuang-si-ta-sse.“
„Dein Name ist schöner und höher als der meinige; ich werde dir in allen Stücken gehorchen!“
„So sorge dafür, daß die Dienerin der Por-tu-ki Speise in dem Boot finde! Ihr habt sie hungern und dürsten lassen. Wurde euch das vom Tsiang-ki-um geboten?“
„Herr, du weißt ja selbst, wie die Gefangenen behandelt werden müssen. Wenn sie hungern und dürsten, gehen sie leichter auf alles ein, was wir von ihnen verlangen.“
„Zounds, Charley, seid Ihr bald fertig mit Eurer Verhandlung?“ ließ sich jetzt der Kapitän vernehmen. „Ihr sprecht ja ein so schauderhaftes Chinesisch miteinander, daß es ganz unmöglich ist, auch nur ein einziges Wort zu verstehen!“
„Ich bin zu Ende, und wir können also aufbrechen.“
„Weil! Vorher aber muß ich diesen Leuten erst noch meine Meinung zu verstehen geben.“
„Tut das, Käpt'n! Es kann ihnen nicht schaden, wenn wir mit der gehörigen Malice abtreten.“
„Sagt mir vorher noch, was Adieu auf Chinesisch heißt?“
„Tsing leao.“
„Tsing leao, tsing leao! Ich werde das doch nicht etwa bis zum Schluß meiner Rede vergessen!“
Er stellte sich in Positur.
„Mesch'schurs Pirateng, Robbers und Galgengstricklings! Ihr habt einseheng müssang, daß wir zwei von eureng höchsting Anführers sind. Ihr werdet zugesteheng …“
„Tsing leao!“ wiederholte er leise, sich zur Seite drehend; dann fuhr er laut fort:
„Daß wir diejenigeng Kerls sind, die sich vor dem Teufel und euch nicht fürchteng. Dieser Charling hier hat eureng Hauptmann niedergeschlagong …“
„Tsing leao!“ flüsterte er wieder abseits.
„Und ich, der Kapiteng Turninsticking, werde jedeng massakrierang, der es wagt, zu emeutireng …“
„Tsing leao!“ klang es leise zum drittenmal.
„Oder sich gegen uns zu empörang. Jetzt geheng wir fort. Leimt dieseng Beel zu Babel wieder zusammung, und haltet uns in guteng Andenking! Tsing leao, lebing wohleng, gutung Nacht!“
Sie hatten diese Musterrede mit schuldiger Aufmerksamkeit angehört, und sogar dem Dolmetscher war diesesmal kein Lächeln beigekommen. Natürlich mußte auch ich einige Worte hören lassen; ich machte es kurz:
„Wir gehen. Yng-pa-tsung, du weißt, was ich dir befohlen habe. Grüße mir den Kiang-lu!“
Jetzt verließen wir den Tempel, welcher für uns so verhängnisvoll hätte werden können. Einige Papierlaternen leuchteten uns auf dem Weg nach dem Wasser; ihr Licht war nicht intensiv genug, daß ich die Bauart des Gebäudes hätte betrachten können. Am Landeplatz lagen mehrere Boote, deren eines wir bestiegen, es war dasselbe in welchem wir angekommen waren, und dieselbe Mannschaft, welche uns gebracht hatte, stieg ein, um uns fort zu rudern.
Der Lieutenant hatte für Trinkwasser und Früchte gesorgt, so daß die Niederländerin ihren Hunger und Durst stillen konnte.
„God sei Dank“, meinte sie, „dat ik armes Schepsel een Avondeten finde! Het is kein Wildbraad und kein Ham oder gebraden Vleesch, aber het stillt den Hunger und den Schmerz, den ik im Magen heb.“
Das gute ‚Meisje‘, wie sie sich selbst bezeichnet hatte, schien nicht bloß in einer Beziehung von sehr substantieller Gewöhnung zu sein; in zehn Minuten war der ganze beträchtliche Vorrat, der zur Sättigung mehrerer Personen gelangt hätte, ein Opfer ihres ‚Magenschmerzes‘ geworden, und es war wirklich drollig, die verwunderten Ausrufe zu hören, zu welchen dieser Appetit die sehr genügsam gewöhnten Chinesen veranlaßte.
Jetzt wurde sie redselig; ich erfuhr, daß sie Hanje Kelder heiße, und bekam eine ausführliche Biographie von ihr zu hören. Sie zeigte sich sehr erstaunt darüber, daß sie nicht nur von den Drachenmännern, sondern auch von dem allgemeinen Gerücht mit ihrer Herrin
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