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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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heraufgedampft und hielt auf unser Zeichen auf das Ufer zu und legte an.
    „Was gibt's?“ fragte der Kapitän vom Deck herab. „Wollt ihr mitfahren?“
    „Wohin der Kurs, Käpt'n?“
    „Nach Wampoa und Canton.“
    „Gehen mit, wenn Ihr eine Stunde hier halten wollt.“
    „Weshalb?“
    „Werdet es hören. Laßt uns ein Tau herab!“
    In der nächsten Minute standen wir oben vor dem Kapitän.
    „Seid ein Amerikaner der Sprache nach?“
    „Yes, Sir. Kapitän Turnerstick vom ‚The Wind‘ aus New York, vor Anker in Hongkong.“
    „Ah! Habe das Schiff gesehen. Und dieser Mann?“
    „Mein Freund, ein Kerl, der in aller Welt umherläuft, um Land und Leute kennenzulernen. Habe das bisher für eine riesige Dummheit gehalten; bin aber jetzt dahinter gekommen, daß diese Sache gar nicht zu verwerfen ist.“
    „Und wollt jetzt hinauf, um Euch Canton anzusehen?“
    „Yes, Sir. Vorher aber wollten wir Euch bitten, uns einige Männer mitzugeben, um eine Gesellschaft von Flußpiraten auszuheben, welche ganz hier in der Nähe sind.“
    „Drachenmänner vielleicht?“
    „Richtig, Sir. Sie haben uns gestern überfallen, mit Stinktöpfen betäubt und nach einem Tempel geschafft, wo sie jetzt wohl noch zu finden sind.“
    „Ist's so, dann sollt Ihr meine Jungens haben und mich dazu. Allerdings kann ich den Steamer nicht unbewacht lassen, aber zwölf Mann stehen zur Verfügung.“
    „Ist mehr als genug, Käpt'n.“
    „Wie weit ist der Ort von hier?“
    „Nicht viel über drei Meilen.“
    „Wird in einer halben Stunde gemacht. Meine Boys verstehen zu rudern. Wie viele Drachenmänner sind es wohl?“
    „Hm, so zwanzig oder dreißig; hat aber nichts zu sagen, denn ein guter Englishman wiegt zehn von ihnen auf.“
    „Weiß bereits. Kommt in die Kajüte und nehmt zwei Bissen und einen Schluck, denn ich glaube nicht, daß Ihr Euch bei diesem Gesindel den Magen verdorben habt. Muß Euch übrigens meinen Namen auch sagen: heiße Tom Halverstone aus Greenock am Clyde; wißt's schon, wo die schärfsten und adrettesten Dampfer gebaut werden.“
    „Kenne den Ort und muß ihm seine Ehre lassen. Also vorwärts, Käpt'n, denn ein Frühstück ist für den Menschen das, was eine gute Maschinenkohle für den Dampfer ist: ohne beides ist von einer sauberen Fahrt gar niemals die Rede.“
    Während wir unten tüchtig zulangten, traf der Kapitän an Deck seine Vorbereitungen, und nach einer Viertelstunde saßen unser fünfzehn wohl bewaffnete Männer in einem langen, schmalen Cuttingboot, welches über das Wasser des Kanals flog, als ob es aus einer Kanone geschossen worden sei.
    „Was war der Anführer der Drachenmänner für ein Kerl?“ fragte Halverstone.
    „Ein Mongole vom Stamm der Dschiahurs.“
    „Dachte, die Leute gehörten vielleicht zur Bande des Kiang-lu, der so viel von sich reden macht.“
    „So ist es auch, denn dieser Dschiahur ist nur ein Unteranführer von ihm.“
    „Well, so ist mir die kleine Expedition desto interessanter. Ich hoffe, daß wir sie treffen werden!“
    „Ich bezweifle und bin nicht der Meinung meines Freundes Turnerstick. Nach dem, was heut in der Nacht vorgefallen ist, werden die Piraten jedenfalls so klug gewesen sein, den Kuang-ti-miao zu verlassen.“
    „Erzählt doch einmal die Geschichte ausführlicher, wenn ich Euch darum bitten darf.“
    Ich erstattete ihm so weit Bericht, wie es mir nötig schien, tat aber meines Talismans und auch einiger anderer Umstände keine Erwähnung. Turnerstick war so klug, es dabei bewenden zu lassen.
    „Das ist ja nicht nur ein Ereignis, sondern ein förmliches Abenteuer gewesen“, meinte Halverstone. „Nun glaube ich auch, daß sich diese Schlingel aus dem Staub gemacht haben. Aber ganz umsonst wird unsere Fahrt doch nicht sein, denn ich werde wenigstens Gelegenheit haben, einen dieser chinesischen Tempel in Augenschein zu nehmen.“
    Es war kaum eine halbe Stunde vergangen, so legten wir an derselben Stelle an, an welcher wir gestern ausgestiegen waren. Gestern war es mir im Dunkel des Abends schwierig erschienen, die Richtung zu merken, heut aber war es uns sehr leicht geworden, den Tempel zu finden, den wir am Morgen ja bereits gesehen hatten.
    Zu meiner Überraschung hielten am Eingang zwei Männer Blumen und Räucherstäbchen feil. Wir stiegen eine breite Steintreppe zu ihnen empor.
    „Tsing-tsing!“ grüßte ich. „Ist hier der Zutritt erlaubt?“
    „Hier kann jeder eintreten, der dem Diener Gottes ein Kom-tscha gibt“, lautete die

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