Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

33 Cent um ein Leben zu retten

Titel: 33 Cent um ein Leben zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Jensen
Vom Netzwerk:
diesen Kram, den wir in der siebten Klasse rechnen.
    Ich melde mich.
    Er sieht mich skeptisch an. Dann nickt er und ruft: »Aber nichts mit Robin Hood!«
    Ich stehe auf, und dann geht die Rechenaufgabe los: »Ein halbes Kilo Hackfleisch für Frikadellen kostet 3 Euro 50. Zwei Pakete frische Pasta 5 Euro. Eine Cola Classic 2 Euro. ½ Flasche Rotwein 4 Euro. Vier Eis 6 Euro …«
    »Also 1 Euro 50 pro Stück.«
    Das stimmt. Aber das sage ich nicht, ich mache weiter: »Insgesamt 20 Euro 50.«
    »Korrekt«, sagt Herr Eriksen.
    »Aber halb so viel Fleisch reicht und Wasser statt Cola und kein Eis, damit sind 10 Euro gespart.«
    »Richtig!«, ruft Herr Eriksen.
    »Und wenn wir die durch 0,33 dividieren, ergibt es 30.«
    »30,30303030«, korrigiert Herr Eriksen.
    »Es gibt keine drittel Kinder«, sage ich und setze mich.
    »Robin Hood!«, ruft John. John ist nicht gerade mein bester Freund. Er ist auch dünn, so ein Hänfling. Little John war bekanntlich groß und stark.
    Herr Eriksen fragt, ob es noch mehr interessante Rechenaufgaben gibt.

EIN FREUNDLICHER MANN
    Der Schulpsychologe ist ein freundlicher Mann. Er beginnt (damit fängt er immer an, das hat er so gelernt) mit einem Lächeln, als wenn alles auf der Welt völlig okay wäre.
    Ich sage nichts.
    Er wartet. Sieht er aus wie einer, der einen grünen Hut mit Feder tragen könnte?
    »Robin Hood«, sagt er.
    Ich nicke.
    Er fährt fort: »Ich kenne ihn gut, den aus dem Sherwood Forest. Hatte er nicht einen guten Freund?«
    Er will, dass ich John sage, aber das tue ich nicht.
    »John«, sagt er.
    Von John weiß ich natürlich. Ich habe die verschiedenen Ausgaben alle gelesen. Little John heißt er.
    »Hast du auch einen Freund?«
    »Ja, hab ich«, sage ich. Ich habe auch eine Freundin, aber das sage ich nicht.
    Dann wird es wieder still, und mitten in die Stille hinein greift er sich ernst ans Kinn, sieht mich an, grübelnd heißt das, und sagt dann: »Du bist doch ein kluger Junge.«
    Dazu sage ich nichts. Da bin ich mir nämlich überhaupt nicht sicher. Dumm bin ich nicht. Gibt es jemanden, der das ist? So richtig? Es gibt welche, die sind unwissend, aber das ist ja etwas anderes.
    »Aber vielleicht denkst du zu viel nach?«
    Da bin ich mir nicht sicher. Vielleicht besteht das Problem darin, dass die meisten zu wenig nachdenken. Ich glaube zum Beispiel, dass mein Vater ziemlich viel darüber nachdenkt, ob die Aktien steigen oder fallen. Dann sitzt er völlig weggetreten vor dem Notebook, kratzt sich am Kopf, und irgendwann ruft meine Mutter: »Nun pass aber auf!«
    Sie meint, er soll aufpassen und nicht alles Geld verzocken. Ich glaube nicht, dass er das tut. Er ist nämlich gewissenhaft und sparsam, aber er denkt nicht an das Wichtigste. Er denkt nicht daran, wie es ist, zu hungern, wie schrecklich es ist, ein Kind auf dem Schoß zu haben, und es ist nichts zu essen da. Und kein Geld, um Essen zu kaufen.
    »Ich habe darüber nachgedacht«, sagt er. »Ich habe getan, was ich kann.«
    Stell dir vor, das sagt der Richter, und er meint damit, dass er einen Geldschein in die Sammelbüchse gesteckt hat, und er meint damit, dass er Steuern bezahlt und für Entwicklungshilfeprojekte gespendet hat.
    Reicht das?
    Das glaube ich nicht.
    »Vielleicht«, wiederholt der Schulpsychologe und zieht so komisch die rechte Augenbraue hoch. Ich überlege, ob ich ihm davon erzählen soll. Dann fährt er fort und wiederholt: »Vielleicht denkst du zu viel nach?«
    Ich schüttele den Kopf.

NR. 8
    Es gibt zehn Gebote. Der Pfarrer hat sie vorgelesen. Du sollst nicht stehlen. Das ist Nr. 8.
    Es sind gar nicht so wenige, die stehlen. Gibt es jemanden, der es nicht tut? Ich meine all diejenigen, die bei den Steuern betrügen. Gilt das nicht als stehlen? Dann bestiehlt man doch alle anderen.
    Herr Olsen hat von einem Buch erzählt. Es heißt Die Elenden , glaube ich. Ein Mann stahl bei einem Bäcker Brot, weil seine Kinder fast verhungerten. Er kam für viele Jahre ins Gefängnis. Seine Kinder wären vor seinen Augen fast gestorben. Was sollte er tun? Niemand wollte helfen. Stehlen ist verboten.
    Du sollst nicht lügen. Jeden Abend im Fernsehen lügen die Politiker. Die ganze Zeit, vom Bildschirm, den Menschen ins Gesicht. Ach, hör doch auf!
    Ich sage: Du darfst ruhig stehlen, wenn du einem anderen Menschen das Leben rettest. Gibt es etwas Wichtigeres? Warum muss ein Kind sterben, wenn es doch genug zu essen gibt?
    Es gibt ein merkwürdiges altes Wort.
    Das heißt Barmherzigkeit.
    Ein schönes

Weitere Kostenlose Bücher