33 Cent um ein Leben zu retten
Wort.
15 HEMDEN
»Vielleicht«, sage ich, »sollte ich einfach einige von all deinen Hemden zum Sammelcontainer bringen?«
Er lacht. Erst lacht er. Dann lehnt er sich im Sessel zurück.
»Und das zweite Auto?«, fragt er.
Ich nicke.
»Und die Hälfte meiner Schuhe?«
Er sagt nicht Johannes, aber er weiß, dass wir genau von dem sprechen.
Ich nicke. Ich ziehe eine Augenbraue hoch, so ein bisschen wie der Psychologe.
»Und wie ist es mit den Stühlen? Wir haben insgesamt 33 Stühle?« Jetzt lacht er laut. »Merkst du es? Wie viele Backsteine hat das Haus? Hast du sie gezählt?«
Ich sage nichts mehr.
Am Abend sind sie im Theater. Ich gehe auf sein Konto. Er hat 70 Euro für die Eintrittskarten bezahlt. Etliches an Mahlzeiten à 0,33. Insgesamt 212. Dann nehme ich 15 Hemden. Und trage sie zum Altkleidercontainer.
Aber ich suche die abgetragenen aus. Die er nie anzieht. Man muss Rücksicht aufeinander nehmen. Das sagt Großmutter: »Denk dran! Sei gut zu anderen!«
Ich versuche es!
Der Richter schreibt »intern«, wenn er Gelder auf seinen eigenen Konten verschiebt.
Intern.
EIN WÜTENDER RICHTER
»Das geht so nicht!«, sagt der Richter.
Ich stehe in seinem Büro. DAS GESETZBUCH . Es geht um die Hemden. Er sieht mich an, er kneift die Augen zusammen. Er denkt lange nach.
»Die Hemden«, beginnt er, »die sind mir egal.«
Pause.
»Völlig egal. Aber dass du stiehlst, das macht mir Sorgen.«
Ich sehe ihn an. Er runzelt die Stirn, ballt eine Hand zur Faust. Es stimmt, was er sagt. Das ist ihm nicht egal.
»Wir haben darüber gesprochen! Oft genug! Diebstahl ist kriminell.«
Er schweigt. Dann fährt er fort: »Das weißt du genau!«
Ich nicke. Das stimmt, darüber haben wir oft gesprochen. Ich sage nichts. Ich möchte Robin Hood sagen. Und Jesus. Und dass der, der zwei Hemden hat, eines dem geben soll, der keines hat. Und Großmutter, möchte ich sagen, aber das nützt nichts.
»Was hast du mit ihnen gemacht?«
»Altkleidersammelcontainer«, sage ich.
Er zieht die Augenbrauen hoch, spitzt den Mund.
SARA
So heißt meine kleine Schwester. Das habe ich erzählt. Sie baut Schlösser aus Legosteinen, rosa Prinzessinnenschlösser. Für Barbie. Barbie geht durch die Säle und steht auf dem Balkon und blickt in Saras Zimmer. Barbie liegt im Prinzessinnenbett und träumt von Ken.
Und Ken, ja, Ken reitet auf einem großen weißen Legopferd. Barbie und Ken. Ich und Anne, mein Vater und meine Mutter.
Sara klopft an. Das habe ich ihr beigebracht. Von wegen einfach reinplatzen. In Wahrheit habe ich Sara gern. In Wahrheit habe ich meine Mutter gern. Meinen Vater, den Richter?
Sara kommt auf mich zu. Sie streckt den Arm vor, öffnet die Hand.
Da liegen zwei Zwanzigeuroscheine und ein Zehner.
Ich ziehe die Augenbrauen hoch.
»Das ist für dich«, sagt Sara.
»Für mich?«
»Für die Kinder.«
»Wirklich?«
Sara nickt. »Dann brauchst du nicht im Coop zu arbeiten. Und dann können wir wieder zusammen zur Schule gehen, jeden Tag.«
Ich sage Danke. Ich sage, dass Sara das Geld behalten soll, das ist doch ihr eigenes Geld.
»Das ist die Hälfte«, sagt Sara. »Ich hatte 100.«
»Und was ist mit dem Schloss?« Ich weiß, dass Sara auf ein Sommerschloss spart und einen Sommersee und einen sehr schönen Berg mit Bäumen und seltenen Vögeln, wo Barbie und Ken ihre Sommerferien verbringen und sich von all den täglichen Verpflichtungen erholen können, Ausstellungen eröffnen und Reden halten und durch die ganze Welt reisen.
»Das macht nichts«, sagt Sara.
»Danke«, sage ich wieder.
Sara nimmt die Geldscheine von der Hand und reicht sie mir.
WARUM SCHWEIGEN GOTT UND SEIN SOHN JESUS?
Anne geht nicht zum Konfirmandenunterricht.
Sie glaubt nicht an Gott oder an Jesus.
»Ja, schon«, sagt sie, »Jesus ist sicher mit Palmwedeln und Eseln und Jüngern dort in Jerusalem unterwegs gewesen, aber er ist nicht Gottes Sohn.«
Ich erzähle ihr von den zwei Hemden.
Die Geschichte kennt sie.
Ich erzähle ihr von den Oberhemden, wie aus 30 15 wurden.
Sie lacht. Annes Lachen ist wunderschön. Ich werde froh, wenn sie lacht, dann vergesse ich alles. Dann kann ich alles, mich aufrichten und senkrecht in die Luft fliegen.
Wenn es nun Gott gäbe und seinen Sohn? Wenn es nun Jesus gäbe und sie gemeinsam Gott wären, dann könnten sie ehrlich gesagt doch die ganze Geschichte in Ordnung bringen! Dann könnten sie doch auch einfach sagen oder denken, dass jetzt mit Krieg Schluss ist!
Ich sehe, wie Jesus seine Hand
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