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33 Cent um ein Leben zu retten

Titel: 33 Cent um ein Leben zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Jensen
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Kopf!«

DAS IST NICHT SO GUT
    »Das ist nicht so gut.« Anne neigte den Kopf zur Seite.
    »Was ist nicht gut?«
    »Verrückt«, sagte Anne und lachte. Das war der Schulpsychologe.
    »Aber«, fuhr Anne fort, »Robin Hood.«
    »Genau!«
    »Aber das tust du nicht?«
    »Tue was nicht?«
    »Von den Reichen nehmen? Stehlen?« Dann lachte sie laut: »Abgesehen von den 15 Hemden?«
    Ich schüttelte den Kopf. Das wollte ich Anne nicht erzählen, auch nicht das von Henrik Friis und der KHK . Ich traute mich nicht. Vielleicht würde sie dann sauer auf mich werden und weggehen. Nein!
    »Ich finde das auch falsch.«
    »Ja?«
    »Dass die sterben.«
    »Das ist eine Schweinerei.«
    »Wir könnten in der Fußgängerzone sammeln?«
    »Im Ernst?«
    »Ja, genau wie alle anderen.«
    Da gingen wir zur Fußgängerzone. Anne hatte eine kleine rosa Kasse. Bestimmt irgend so ein altes Prinzessinnendings. Aber es war hübsch, und sie hatte in den Deckel einen Schlitz geschnitten, wo man Geld reinstecken konnte. Und ich machte ein Schild, darauf stand: Sammlung für die hungrigen Kinder.
    Da tauchte er aus dem Gewimmel auf, der Star, große Schritte, sich umschauend, segelte er heran. Ein stolzes Schiff, mit Wind im Haar. Die Träne auf der Wange war weg, aber der Schmerz lag noch immer wie ein Schatten über dem Gesicht.
    Ich zog Anne am Ärmel: »Schau mal! Der da hat gesungen.«
    Ich lächelte, nun bekamen wir das erste Geld in die Kasse!
    Ich trat vor ihn hin, das Schild zeigte in die Luft, Anne hielt ihm die Kasse hin.
    »Ich habe Sie singen gehört«, sagte ich. »Und jetzt sammeln wir.«
    Er blieb stehen, zögerte, wollte weitergehen, aber dann blieb er doch bei uns stehen.
    »Ihr habt den Song gehört? Mochtet ihr ihn?«
    Ich nickte. »Und jetzt sammeln wir.«
    Er spitzte die Lippen, überlegte, beugte sich zu Anne hin und sagte, mit ein bisschen Trauer bei jedem Wort: »Vielleicht ist es gut, dass sie sterben.«
    Verblüfft machte ich den Mund auf: »Wie – gut, dass sie sterben?«
    Fand er wirklich, es sei gut, dass sie starben?
    »Vergesst nicht«, fuhr er fort, »es gibt schon jetzt viel zu viele Menschen. Es gibt nicht genug Platz, es gibt nicht genug zu essen. Am Ende sind wir selbst an der Reihe. Dann verhungern wir.«
    Das hat er wirklich gesagt und sah dabei sehr weise aus, aber auch, als schmerze es ihn, so etwas zu sagen, denn es wäre doch, so verstand ich seine Trauer, er betonte jedes Wort und jede Pause so schön, »schade um die, die sterben«.
    »Deshalb«, fuhr er fort, »hilft das nicht richtig, und das versteht ihr bestimmt: Euch selbst hilft es überhaupt nicht!«
    »Aber Sie haben doch gesagt, dass wir Geld schicken sollen! Das haben Sie im Fernsehen selbst gesagt!«
    Anne nickte kräftig.
    Da lachte er. Danach lächelte er, gleichzeitig traurig und nachsichtig, wegen der Sterbenden und weil wir überhaupt nichts begriffen hatten: »Das musste ich doch. Ich sollte doch singen. Und da musste ich das mit dem Spendensammeln sagen.«
    Erst später, als sein aufrechter und sehr schöner Rücken im Gewimmel der Fußgängerzone verschwand, begriff ich, dass er um seiner selbst willen gesungen hatte. Und nicht um derer willen, die sterben, wenn sie den zweiten Schritt tun.

NICHTS
    »Ich habe nichts, nur einen Euro!« Die alte Frau hob bedauernd die Hände und lachte auf, und ehe Anne etwas sagen konnte, hatte sie die Münze in die Prinzessinnenkasse gesteckt.

FRAU NETT-ZU-KINDERN
    »Das nützt nichts«, sagte Frau Nett-zu-Kindern. Sie schüttelte ihren schönen Kopf. Und als würde sie erwägen, ob sie wirklich recht hatte, fuhr sie sich mit der alten Hand durchs bläuliche Haar. Sie zögerte kurz, sah mich an und wiederholte: »Das nützt nichts, gar nichts!«
    Ich wollte sie unterbrechen, das stimmte nicht. Ich war mir sicher, dass es nützte, aber noch ehe ich den Mund aufmachen konnte, legte sie mir die Hand auf den Mund, lächelte noch freundlicher und sagte: »Egal, was wir tun, es hilft nichts. Das Geld verschwindet in einem großen Loch. Auf immer. Und weißt du was, das, was nicht in das Loch fällt, das verschwindet in den Taschen derer, die sowieso schon mehr als genug haben.«
    Sie nickte, als hätte sie ihre Weisheit mit mir geteilt. Sie sah aus, als stimmte, was sie sagte. Ich wusste natürlich, dass nicht alles Geld an die richtige Stelle kam, dass überall Menschen saßen und sich etwas davon in die eigene Tasche steckten. Und wer weiß, vielleicht war ich ja eines Tages genauso gierig wie sie. Aber

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