33 - Die Werwölfe von Kregen
rufen. Vielleicht meldet sich statt meiner Drak aus dem Südwesten. Und oben im Nordosten, jenseits des Hawkwa-Landes ...«
»Dort halten wir uns gut«, sagte Seg mürrisch.
»Aye«, bestätigte Nath. »Vorwiegend mit leichter Kavallerie, die Überfälle erwidern muß. Da läßt es sich wirklich vertreten, eine Keruchuri abzuziehen.«
»Besprich das alles mit Farris«, sagte ich.
Ich will ehrlich sein – Sorgen machten mir vor allem die verflixten Mädchen. Ich mochte mir noch so oft einreden, daß ich damit überaus dumm reagierte – immer wieder erfüllte mich Unbehagen, wenn ich ein Kriegermädchen in Aktion erlebte. Sie sahen prächtig aus, wie sie da mit ihren geschäfteten langen Beinen herummarschierten, das Gesicht strahlend vor Gesundheit, die Augen funkelnd vor Begeisterung. Das war natürlich das Äußere, die Zurschaustellung, dazu kamen die flotten Uniformen, die grell tönenden Trompeten, die grollenden Trommeln und wehenden Flaggen.
Die Realität des Kampfes, die Grausamkeit von Blut und Tod hatten wenig zu tun mit der märchenhaften Romantik, die die Jikai-Vuvushis zu umgeben schien.
Der Palast erstrahlte bei unserer Rückkehr von zahlreichen Lampen. Niemand wollte sich in den dämmerigen zuckenden Schatten von dem Werwolf erwischen lassen.
Garfon der Stab, unser angesehener tüchtiger Majordomus, berichtete, daß Deb-Lu-Quienyin mich im Empfangsraum vor meinem Privatquartier erwarte. Delia war nicht anwesend, aber sie hatte mir eine Nachricht hinterlassen. Deb-Lu-Quienyin war der eiligen Aufforderung, nach Vondium zurückzukehren, gefolgt und hatte einen anstrengenden Flug hinter sich.
Wir marschierten durch, ohne anzuhalten, riefen nach Wein und warfen die Mäntel ab. Deb-Lu lächelte bei unserem Anblick. Er war unruhig auf den walfargschen Teppichen herummarschiert und blieb nun stehen.
»Lahal, Deb-Lu! Du hast die Berichte über den Werwolf vernommen?«
»Lahal, Majis. In der Tat. Eine üble Sache. Aber es gäbe da gewisse Möglichkeiten ...«
»Und ob!« sagte Seg, schnappte sich ein Glas und suchte nach der erstbesten Flasche.
Sicher fällt Ihnen die Art und Weise auf, wie Deb-Lu und ich miteinander umgingen – ohne jede unnötige Förmlichkeit, ohne Rattenschwanz an Lahals und höflichen Fragen, wie es denn gehe. In diesem unsicheren Augenblick der vallianischen Geschichte wäre das nur überflüssig gewesen. Dennoch hatten sich Deb-Lu und ich lange nicht gesehen – verdammt lange nicht, bei Krun!
»Genau das wollte ich hören!« rief ich und nahm Seg das Glas ab. »Trotzdem, San, besteht noch die Möglichkeit, daß das Ungeheuer gar kein Werwolf ist.«
Jedesmal wenn ich an Deb-Lu-Quienyin voller Zuneigung und Ehrfurcht denke und ihn dann das nächstemal wieder vor mir sehe, muß ich sagen, daß er mir unverändert erscheint. Nun ja, natürlich macht auch er eine Entwicklung durch und bietet zuweilen auch ein verändertes Erscheinungsbild. Als berühmter und gefürchteter Zauberer aus Loh, der als San angeredet wurde, gehörte er zu der kleinen Gruppe enger Vertrauter des Herrschers und der Herrscherin.
Nein, für mich gibt es noch immer keinen Zweifel, daß die Zauberer aus Loh unter allen kregischen Zauberern den höchsten Rang innehaben. Sie erkennen vielleicht, daß mir ihre wahre Macht nur sehr langsam bewußt geworden war. Als ich nun Deb-Lu anschaute und die alte Woge der Zuneigung spürte, fiel mir auf, daß er den riesigen Turban abgenommen hatte. Das rote lohische Haar wirkte verwuschelt. Er bot das typische Bild des mächtigen Magiers – ohne daß er sich Runen auf die Gewänder sticken oder sich mit Schädeln und Federn und Büchern umgeben mußte. Ein Zauberer aus Loh braucht keine materiell greifbaren Hilfsmittel, um seine Magie wirken zu lassen.
Allerdings besaß er einen Stab, der jetzt an einem Stuhl lehnte. Deb-Lu hatte mir mehr als einmal versichert, daß er den Stab eigentlich nur brauche, um seine müden alten Knochen beim Gehen abzustützen – wie Sie noch merken werden, machte er sich sein betagtes Alter gern auf sehr untypische Weise zunutze ... Wahrscheinlich hatte er sich einen Teil seiner Klageroutine beim alten Hunch abgeschaut ...
Dies bringt mich darauf, daß es in Vondium viele Leute gibt, die hier und jetzt eigentlich erwähnt werden sollten. Allerdings muß ich sie zunächst übergehen, weil die sich entwickelnde Geschichte um den Werwolf von Vondium Vortritt hat.
Deb-Lu äußerte sich knapp, klar und sehr logisch – bei Zair, hätten
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