33 - Die Werwölfe von Kregen
einging, wenn er seinen Herrscher nicht aussprechen ließ. »Ich bitte dich um Verzeihung. Die Kovneva stirbt, und sie braucht deine Zustimmung als Trost für ihr Totenbett. Du siehst das bestimmt ein – Majister.«
»Ich sehe, daß du ihr ergeben bist, Volgo, und das muß ich bewundern. Nun gut. Überbring ihr diese Nachricht. Ich erinnere mich gut an Kov Nath – nein, bei Krun! –, ich hege Zuneigung zu dem jungen Mann. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dafür zu sorgen, daß er nicht um sein Erbe betrogen oder gar ermordet wird. Aber wenn dies alles geschieht, solange ich noch nicht zur Stelle bin oder meine Armeen noch nicht weit genug vorgestoßen sind, nun, dann ...«
»Du wirst es irgendwie einrichten, Majister. Deshalb hat die Herrin dir ja auch ihre Bitte vorlegen lassen.«
Da ich den ungestümen Seg der frühen Tage kannte, versuchte ich ihm auszuweichen. Aber das war vergeblich. Sein Blick richtete sich auf mich, schien mich einzufangen und hypnotisieren zu wollen. Er stimmte sein typisches Lachen an.
»Da hast du es, mein alter Dom! Ich habe es dir oft genug gesagt!« Er benutzte kregische Worte, doch sagte er: »Du bist viel zu ritterlich, als es für dich gut ist.«
Das durfte nicht unwidersprochen bleiben: »Ritterlich! Nach all den Streichen, die wir angezettelt haben!«
Nath na Kochwold war zwar ein guter Gefährte, konnte uns in diesem Augenblick aber nur verständnislos anschauen.
Strom Volgo achtete weiter auf die äußere Form.
»Es freut mich, deine Nachricht meiner Herrin überbringen zu können. Die Kov-Witwe hat seit der Zeit der Unruhe kein Glück mehr gekannt ...«
»Oha, bei Vox!« explodierte Nath. »Wer hat das schon?«
Die häßliche Bedeutung dieser Worte hing in der Luft. Die hohen Fenster waren von Gardinen verdeckt, und wie ich mich erinnere, bestanden sie aus einem dicken Gewebe, wie es in einer der östlichen vallianischen Provinzen hergestellt wird, hellgrau mit silbernen Schnörkeln. Während Naths unbedachte, aber zutreffende Worte noch durch den Raum hallten, gellte vor den Fenstern ein schriller, herzerweichend angstvoller Schrei auf.
Schon drängten sich Seg und ich Schulter an Schulter vor dem Fenster. Er riß die Gardine zur Seite. Wir starrten in die mondhelle Nacht hinaus.
Der kleine Hof lag direkt unter uns. Männer der Wache liefen ins Freie und zogen ihre Schwerter. Die Mauer, die den Hof von der Straße trennte, versperrte ihnen die Sicht. Wir aber konnten über die Wand in die schmale Gasse schauen, die unter überhängenden Balkonen und hohen Fassaden mit Kopfsteinen gepflastert war. Ein Streifen Mondlicht fiel in die Tiefe.
»Dort!« rief Seg.
Nath stand dicht hinter uns und linste hinaus. Zornig, aufgebracht, heftig brüllte er: »Der verdammte Ganchark!«
Eine hagere Gestalt mit zottigem grauen Fell lief ungleichen Schrittes die Straße entlang, und in der Schnauze des unsäglichen Geschöpfes hing die schlaffe Gestalt eines Mädchens. Wieder hatte das Ungeheuer zugeschlagen.
Der Werwolf schleppte sein Opfer fort, um es zu verschlingen.
7
Auf zwei Welten gab es keinen, der diese Aufgabe so gut gelöst hätte wie Seg. Davon bin ich überzeugt.
Seg, der während unseres Gesprächs seinen Bogen poliert hatte, griff mit fließender Bewegung danach. Die Waffe fuhr hoch, der Pfeil zuckte aus dem Köcher und wurde aufgelegt, der Bogen krümmte sich – dies alles auf so wundersam schnelle Weise, daß sich jeder junge Coy, soeben zu einem Bogenschützenregiment eingezogen, gewundert hätte, aber selbst ich staunte, bei Vox!
Seg schickte den Pfeil los.
Der Werwolf, der im verschwommenen rosafarbenen Mondschein der Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln deutlich zu erkennen war, huschte auf die Ecke zu. Das in seinem Maul hängende Mädchen wippte auf und nieder. Die tödliche graue Gestalt, drohend, geheimnisvoll, von böser Anmut erfüllt, doch zugleich scharf umrissen in ihrer Grausamkeit, verschwand um die Ecke.
»Ich glaube das einfach nicht«, sagte Seg.
Nath wollte etwas sagen, hielt inne, räusperte sich und machte kehrt. Er ging zum Tisch und schenkte sich ein Glas Rotwein ein. Seine Hand zitterte nicht. Ich wäre wohl nicht überrascht gewesen, wenn sie es getan hätte.
Seg schüttelte den Kopf.
»Ich habe ihn getroffen.«
Er wandte sich zu mir um, und sein gutaussehendes Gesicht war so ernst, wie ich es selten erlebt hatte. »Dray – du weißt, daß ich mit meiner Schießerei nicht prahle, denn das wäre
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