331 - Verschollen in der Zeit
mieden. Kein Wunder, dass die Archivare diese Entwicklung nie bemerkt hatten.
Im Zuge komplizierter Ereignisse war dieses Fahrzeug schließlich hierher gelangt. Wer genau es aktuell gelenkt hatte – es schien naheliegend, dass es Marsianer gewesen waren –, konnte er auf die Schnelle nicht herausfinden.
Er Archivar gab sich mit dem Erfahrenen zufrieden. Fürs Erste zumindest.
Als AV-01 meldete, dass die flüchtigen Insassen wieder einen Schwenk in Richtung der Absturzstelle gemacht hatten, forcierte er seine Reparaturbemühungen und brachte schließlich den Antrieb wieder in Gang. Und bevor die ursprünglichen Insassen das »Shuttle«, wie das Gefährt laut der Aufzeichnungen genannt wurde, auch nur nahe kamen, hob er damit bereits ab und steuerte es dicht über die Wipfel der Bäume in Richtung der Pyramide.
Dabei bediente der das fremde Raumfahrzeug es mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre er darauf geschult worden. Für ein Wesen wie ihn erschloss sich die primitive Technik fast intuitiv.
Die Beute, die er gemacht hatte, bot ihm ganz neue Möglichkeiten. Und er war gewillt, sie alle zu nutzen.
***
Erinnerung
Der erste bedeutende Fund in der untergegangenen Stadt Campeche – ich wähle diese Kurzform, nachdem ich den Namen mehrfach auf Schildern und an Wänden las – besteht aus Papier.
In der am besten erhaltenen Ruine von allen, in der ich mich nach meiner Ankunft einrichte, gibt es einen Keller und darin einen Raum, der einen Schatz birgt: Zeitungen.
Es hat lange gedauert, bis ich mich an diese Bezeichnung erinnert habe. Zu meiner Zeit gab es dergleichen längst nicht mehr. Diese Zeitungen also, Unmengen von ihnen, haben fein säuberlich nach Jahrgängen gelagert in einem trockenen, staubdichten Raum alle Anfechtungen überstanden. Und alle Titelseiten ziert der gleiche Schriftzug: CRÓNICA DE CAMPECHE .
Die Schrift identifiziere und verstehe ich, wie ich als Archivar alle irdischen Sprachen aus allen bekannten und erforschten Epochen beherrsche. Und so steht mir mit einem Mal ein ungeahnter Fundus an Informationen offen, aus dem ich schöpfen kann. Später.
Zunächst studiere ich nur die letzten Ausgaben, die auf das Jahr 2012 datieren, und finde meine Vermutung bestätigt, dass Campeche wie der Rest der Welt in jenem Jahr von dem angeblichen Kometen »Christopher-Floyd« ausgelöscht wurden.
Ich verschließe den Keller wieder sorgfältig und nehme nur ein wenig Lektüre mit. Vorerst schwebt mir ein sinnvollerer Zeitvertreib vor.
Schon am Tag beginne ich damit, alles aus der Stadt heranzuschleppen, was mir von Nutzen sein kann.
Seit dem letzten Anschlag trage ich mich mit dem Gedanken, mir ebenfalls Diener zu schaffen, die gröbere und gefährliche Arbeiten für mich erledigen können. Und so treibe ich zwei Projekte gleichzeitig voran.
Projekt Alpha betrifft die Schlangen. Projekt Beta den Schrott, mit dem Campeche gespickt zu sein scheint.
Alpha zielt auf eine Optimierung des Giftes ab, das ich mir nach wie vor regelmäßig zuführen muss. Doch statt es mir in seiner ursprünglichen Form durch einen Schlangenbiss zu verabreichen, will ich ein Serum daraus entwickeln, das wie eine Art Konzentrat dieselbe Wirkung auf mich hat und das ich schlucken kann.
Beta wird mir mehr Mühe und Zeit abverlangen, das weiß ich jetzt schon, aber am Ende und mit etwas Glück wird das stehen, was jeden, der sich mit mir anlegt, das Fürchten lehrt.
Alpha soll mir mein Leben sichern, Beta helfen, meine Vision zu realisieren.
In Campeche beginne ich aufzublühen. Nie seit meiner Ankunft in dieser Zeit und Welt war ich so zuversichtlich, alles schaffen zu können. Alles, was ich nur will. Und die ersten Erfolge lassen nicht lange auf sich warten.
Schon bald wird mein »Alleinsein« ein Ende haben.
***
Die Pläne, die bei der Entwicklung meines Exoskeletts entstanden, erweisen sich auch beim Bau des allerersten Roboters als nützlich. Alle meine Ideen lassen sich natürlich nicht sofort umsetzen; zum Beispiel stammen die ersten elektronischen Gehirne aus Arbeitsrobotern, die ich in einer verfallenen Fabrik finde, die damals Fortbewegungsmittel mit der Bezeichnung »Automobile« gefertigt hat. Nach ein paar Modifikationen sind die primitiven Prozessoren in der Lage, komplexere Aufgaben zu erfüllen. Es vergeht nicht einmal ein Monat, bis ich vor dem Prototyp der ersten Generation von Maschinenwesen stehe, der in der Lage ist, meine Befehle auszuführen.
Dieses Modell dient mir in erster Linie dazu,
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