335 - Der verlorene Sohn
sich wieder der Gruppe zu und Keran zog rasch den Kopf in Deckung.
Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Was hatte Fudoh gesagt? Dass er sein Ich auf den Androidenkörper übertragen würde? Er wollte eins werden mit der Maschine? Das klang wie die Allmachtsfantasie eines Verrückten, nicht wie der integre, sanftmütige Mann, den Keran verehrte.
Er musste Fudohs Worte falsch deuten. Es gab einfach keine andere Erklärung. Irgendetwas verstand er völlig falsch.
Womöglich ist es ein geheimer Plan, den ich nicht durchschaue, überlegte er.
»Sobald dies geschehen ist, werden wir die Tarnung durch die Kommune nicht mehr benötigen«, sprach Fudoh weiter. Seine Stimme klang kalt, bar jedweder Emotion. »Du hast einen Plan dafür ausgearbeitet?«
Miyus Stimme erklang: »Das habe ich. Wir benutzen Gas, das wir in die Schlafsäle leiten. Eine saubere und endgültige Lösung. Keiner der Freaks wird überleben und von unserem Vorhaben berichten können. Hier...«
Papier raschelte.
Keran biss auf seine geballte Faust, um nicht aufzuschreien. Das alles war ein einziger Albtraum. Aber das Schrecklichste daran war, dass er nicht daraus erwachte.
»Gut«, segnete Fudoh die Unterlagen ab, die er wahrscheinlich gerade studiert hatte. »Bis dahin läuft alles weiter nach Plan. Solange diese letzte Komponente fehlt, benötigen wir die Kommune noch. Sie bildet nach außen einen perfekten Schild. Weder der Weltrat noch die überlebenden Technos werden auf uns aufmerksam werden.« Er schwieg kurz, dann fuhr er fort: »In dieser Endphase werden wir die Überwachung verstärken. Ich habe eine Technik reaktiviert, die ich einst entwickelte, um Doggars fernzusteuern. Sie werden mit mobilen Kameras in der Gegend patrouillieren. Für dieses Projekt werdet ihr in nächster Zeit alle größeren Hunde einfangen und töten.«
Keran runzelte die Stirn. Was Fudoh sagte, ergab keinen Sinn. Sollte sein Meister denn tatsächlich wahnsinnig geworden sein? Er wagte einen weiteren Blick. Die Welt um ihn herum erzitterte und zerbrach in Scherben, als er das Gerät in Fudohs Hand sah.
Er hätte es jederzeit wieder erkannt.
Es war eins jener Kästchen, die die untoten Angreifer in El’ay an ihrer Schläfe getragen hatten.
»Natürlich, Meister«, sagte Shouta unterwürfig. »Die Hand schweigt, die Hand kämpft, die Hand siegt.«
Wie durch Watte nahm Keran die Stimmen wahr, begriff jedoch, dass sich das Gespräch dem Ende zuneigte. Während seine Gedanken noch immer ein wirres Knäuel bildeten, taumelte er zur Tür. Nach allem, was er gehört hatte, würden ihn Fudohs Helfer erbarmungslos in Stücke schneiden. Sie versteckten ihre wahren Absichten hinter lächelnden Gesichtern und freundlichen Worten. Es waren allesamt gnadenlose Killer. Monster in Menschengestalt.
Und Miyu war die Schlimmste von allen, denn sie trug die Maske eines Engels.
Keran öffnete vorsichtig die Tür, schob sich hindurch, dann begann er zu rennen. Er erreichte das zersplitterte Fenster und warf sich hindurch, ohne auf die Glasreste zu achten. Erst der Schmerz, als ihm Hände und Unterarme aufgeschlitzt wurden, brachte ihn wieder halbwegs zur Besinnung.
Er landete hart auf dem Boden, rollte sich ab und kroch hektisch zur Mauer. Dort kauerte er sich zusammen und zitterte. Als Übelkeit ihn überwältigte, erbrach er sich, bis nur noch bittere Galle aus seinem Mund tropfte. Fahrig wischte er sie beiseite und wankte davon.
Wie ein Schlafwandler irrte er durch die Gassen, vorbei an Schutthalden, von Wildwuchs überwucherten Autowracks und Ruinen. Er wollte nur weg von der Enklave, von Fudoh, dessen Mordgesellen und seiner Killermaschine.
Als er wieder zu sich kam, stand er vor seinem Elternhaus, das Gesicht nass vor Tränen. Sein Meister hatte ihn betrogen. Er hatte sie alle belogen und missbraucht. Er predigte gegen die Teknikk und hatte sich in Wahrheit mit ihr verschworen. Er wollte seinen Geist auf einen Androidenkörper übertragen! Was bezweckte er damit? Wollte er Rache nehmen an jenen, die ihn so zugerichtet hatten?
Kerans Kopf schmerzte. Erschöpft sank er an der Hauswand herab, zog die Beine an den Körper und schluchzte. Immer wieder sah er die Armee der Zombies von El’ay vor seinem inneren Auge, sah die Androiden seine Eltern töten, Megs toten Körper in der Bar. Das alles vermischte sich zu einem Wust aus Erinnerungen und Gefühlen.
Fudoh war verantwortlich für den Tod seiner Tante und seines Onkels! Er stand hinter der Zombiearmee, die El’ay
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