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335 - Der verlorene Sohn

335 - Der verlorene Sohn

Titel: 335 - Der verlorene Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Suchanek
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vernichtet hatte; das Kästchen, das er als seine Entwicklung bezeichnet hatte, bewies es.
    Irgendwann schlief Keran ein – und erwachte in tiefster Dunkelheit. Es war Nacht und der Mond stand am Himmel. Zuerst fehlte Keran jede Orientierung und es dauerte einige Sekunden, bis die Erinnerung zurückkehrte.
    Der Schmerz wurde verdrängt von Wut, die Traurigkeit von Hass. All die Jahre hatte er geglaubt, die Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben, während er in Wahrheit im Herzen des Feindes lebte.
    Fudoh sollte für seinen Verrat bezahlen! Keran wusste noch nicht, wie oder wann, doch er würde einen Weg finden. Jeder Mensch besaß eine Schwäche, und obgleich Fudoh so erbarmungslos handelte wie eine Maschine, war er doch ein Mensch. Bis jetzt zumindest.
    Ein letztes Mal blickte Keran zu jenem Haus, in dem er seine Jugend verbracht hatte. Dann kehrte er mit starrem Gesicht, aber entschlossener Miene zur Enklave zurück. Er würde einen Weg finden. Und bis dahin würde er lächeln und den Kopf beugen. Bis seine Stunde gekommen war.
    ***
    Amarillo, Mai 2528
    Mit angehaltenem Atem wartete Keran, bis Miyu um die Ecke bog. Sie machte kaum Geräusche, während ihre Schuhe über die Kunststoffbeschichtung des Bodens glitten. Sie glich einem Windhauch, der nahezu lautlos durch die Gänge wehte. Obgleich sie heute deutlich schneller lief als all die Male zuvor, die Keran sie beobachtet hatte.
    Mit dem Auftauchen des Androiden war hektische Betriebsamkeit innerhalb der »Hand« ausgebrochen und Fudoh sah man in der Kommune kaum noch.
    Den Bewohnern Amarillos war versichert worden, dass der feindliche Maschinenmann zerstört war und sie alle wieder ruhig schlafen konnten. Keran glaubte kein Wort davon. Das Auftauchen der Maschine spielte Fudoh doch in die Hände. War deren Elektronengehirn nicht genau das, worauf er seit fast einem Jahr wartete? Mit ihm konnte Fudoh die Arbeit an seinem neuen Körper vollenden.
    Vorsichtig lugte Keran aus seinem Versteck hervor. Kein Mitglied der »Hand« war zu sehen, ebenso wenig wie deren Befehlshaber.
    Nachdem es Keran bislang nicht gelungen war, zu Fudohs neuem Androidenkörper vorzudringen, um ihn zu zerstören, sah er im Fall des jetzt aufgetauchten Maschinenmannes eine neue Chance. Sicher würde er nicht so streng gesichert sein wie der unfertige Android, zumal ja alle glaubten, er sei vernichtet worden.
    Behutsam schob sich Keran aus dem Spalt zwischen dem alten Medizinschrank und der Wand, wo er ausgeharrt hatte. Er hielt sich hier nicht zum ersten Mal auf, hatte die Tür mit dem Kartenschloss genau studiert und schließlich eine einfache Methode ersonnen, wie er sie am Zufallen hindern konnte: Er hatte über dem Türblatt ein flaches Stück Holz befestigt, das beim Öffnen der Pforte nach unten fiel und die Tür um einen Zentimeter Breite blockierte.
    Natürlich musste er, sobald der Mechanismus ausgelöst war, die Tür schnellstens passieren, bevor ein anderer bemerkte, dass sie offen stand.
    Darum zögerte er nicht länger, als Miyu den inneren Bereich des MSC verlassen hatte, sondern huschte hinüber zu der Tür, zog sie auf, riss die Kordel mit dem Holz vom Rahmen und schlüpfte hindurch.
    Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, verharrte er reglos mit angehaltenem Atem, bis er sich sicher war, dass sich niemand sonst hier aufhielt. Dann drang er weiter vor, kontrollierte die angrenzenden Räume. In den mit Fudohs neuem Körper, der ein Stockwerk tiefer hinter einem massiven Zugangsschott lag, kam er nicht hinein; dazu musste man einen vielstelligen Code eintippen, den nur Fudoh kannte.
    Der Raum mit dem neuen Maschinenmann war dagegen ungesichert, wie erhofft. Kerans Kinnlade sackte herab, als er eintrat. Überall lagen die Bauteile des Androiden auf mehreren Metalltischen verteilt. Monitore blinkten und irgendwelche anderen Maschinen surrten. Ständig aktualisierten sich Daten und Skalen auf den Bildschirmen.
    Der Android blieb regungslos. Sein Kopf ruhte auf einem hohen Gestell in der Mitte des Raumes, von einem Gewirr aus Kabelsträngen umgeben. Ein beinahe makabrer Anblick.
    Ganz langsam ging Keran näher heran, streckte vorsichtig die Hand aus und berührte den Schädel. Nichts geschah. Mutiger geworden, griff nach dem Schädel und hob ihn an. Was für ein Gefühl! Er hielt den Kopf seines Feindes in den Händen. Er hätte ihn nun zu Boden schmettern und mit Eisenstangen traktieren können, bis nur noch ein Klumpen Metall davon übrig war.
    Doch das war gar nicht

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