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34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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Großbritannien, der für zwei Dinge berühmt war: sein großes Charisma und seine gewaltige Nase.«
    Hier unterbrach Ella kurz, Natalia öffnete die Augen, Ella fuhr fort: »Seine Nase hast du nicht geerbt, aber viel von seinem Elan. Er hat gegen Napoleon und für die Abschaffung des Sklavenhandels gekämpft und ist zeit seines Lebens allein geblieben, nur mit dir an seiner Seite. Er ist dein Vormund und genießt deine Anwesenheit in seinem Haus in der Downing Street in vollen Zügen. Du sprühst nur so vor Witz und Geist. Aber nach drei Jahren im Zentrum der Macht stirbt Pitt, und deine Welt bricht zusammen. Als dann auch noch eine Liaison scheitert, beschließt du, auf Reisen zu gehen, richtig auf Reisen – in Richtung Orient. Und mit dem Beginn dieser Reise verlässt du dein altes Leben und entdeckst ein neues.«
    In dem Moment räusperte sich Natalia, blinzelte einmal zu Ella hinüber und schloss wieder die Augen.
    »Du segelst nach Gibraltar und von dort aus nach Griechenland und in die Türkei und kehrst nie wieder nach England zurück.«
    Natalia seufzte kindlich erleichtert.
    »Doch auch die Türkei ist nur eine Zwischenstation. Von dort aus geht es weiter nach Kairo. Auf dem Weg dorthin erlebst du ein Seeunglück. Das überlebst du unbeschadet, aber klitschnass, und du beschließt, deine durchnässten Kleider gegen die eines türkischen Edelmanns einzutauschen. Du kommst in Kairo an und wirst von Pascha Mehmet Ali in Empfang genommen: in Kaschmirturban, an den du dir eine Blume steckst, Brokatweste, einem prachtvollen Überwurf und mit Goldfäden bestickten Pluderhosen. Als du dich das erste Mal in diesem Aufzug im Spiegel betrachtest, siehst du dich in einer Version deiner selbst vor dir, die du bisher noch nicht gelebt hast, und sie erscheint dir nicht als Verkleidung, sondern als die Wahrheit. Du bist keine englische Lady, du bist ein Bey, ein orientalischer Fürst. Und deswegen wirst du die Männerkleider auch nicht mehr ausziehen, und die Welt, die du bereist, ist überwältigt von dir und deinem Auftreten. Du passt so wenig in eine der gängigen Kategorien, dass die arabischen Machthaber dich respektieren. In Palmyra, dem sagenumwobenen Wüstenort, den du als erste Europäerin erreichst, krönt man dich sogar zur Königin. Du lässt dich in einem alten Kloster in Syrien nieder und herrschst dort als wagemutige und leidenschaftliche Königin Hester, bis du gänzlich verschuldet und…«
    In dem Moment kam eine Krankenschwester ins Zimmer und stellte ein Tablett auf Natalias Nachttisch. Mittagessen. Natalia hielt ihre Augen geschlossen.
    »Merken Sie gar nicht, dass sie schläft?«, fragte die Krankenschwester.
    Ella schaute sie an: »Hören Sie nichts, wenn Sie schlafen?«
    »Nein«, sagte die Schwester, »wie auch?«
    Ella schaute zu Boden.
    »Außerdem müssen Sie jetzt gehen, gleich ist Visite.«
    »Gut«, sagte Ella.
    Als die Krankenschwester das Zimmer verlassen hatte, öffnete Natalia die Augen wieder, und sie lachten.
    »So eine muss es immer geben, oder?«
    »Kannst du morgen wiederkommen?«
    »Hat dir dein Leben als Lady denn gefallen?«
    »Das war schon alles ziemlich seltsam und total altmodisch, oder? Und mir ist auch ein Rätsel, warum du dich lieber mit dieser Lady als mit Lady Gaga beschäftigst. Wie kommst du denn zu diesem Kram? Aber schön war’s trotzdem, super schön. Deine Stimme ist…, da müssen die Kerle doch weiche Knie bekommen, oder?«
    »Ich mag eben Abenteurerinnen.«
    »Und ich Sängerinnen.«
    »Sängerinnen?«
    »Ja, ich wollte immer schon Sängerin werden. Nein, falsch, ich will Sängerin werden. Dancefloor. Deswegen die Lippen. Ohne Lippen wird man heute keine berühmte Sängerin mehr. Madonna, Amy Winehouse, alle haben sie was gemacht. Nicht nur die Lippen, auch die Brüste. Hast du Amys Brüste gesehen? Die mach ich als Nächstes. Ich bin flach wie ein Brett, weißt du.« Sie strich sich über das T-Shirt. »So wird das nichts. Ich sehe einfach nicht aus wie eine Sängerin. Vielleicht singe ich nicht mehr, weil ich immer dachte, wenn ich groß bin, habe ich einen großen Busen und einen großen, roten Mund wie Kim Wilde. Das Problem ist nur, dass ich mit dem Radfahren allein nicht genug Geld verdiene. Deswegen die Stammkunden und die Deals, und deswegen auch die ganzen Probleme mit Harry.«
    Welche Stammkunden? Welche Deals? »Wer ist Harry?«
    »Der Typ mit den weißen Haaren. Er heißt Harry, sagt er jedenfalls. Ich glaube inzwischen gar nichts mehr, ich hab

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