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34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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mal wieder stellen: Lebe ich das Leben, das ich immer haben wollte? Und viele wollen ihres am liebsten tauschen. Du willst deins mit dem Leben einer Sängerin tauschen, der Meeresforscher mit Gott weiß wem – warum sonst hätte er mir seine Wohnung gegeben? – und ich sowieso. Ich probiere ständig andere Leben an, um zu sehen, ob die mir auch passen oder sogar besser passen als mein eigenes. Über Mutter Teresa würde ich dir nichts erzählen können, das Nonnenkostüm passt mir nicht, und die wäre mir einfach nicht nah genug.«
    »Mutter Theresa ist dir nicht nah genug? Die war eine Heilige! Heilige sind allen Menschen gleich nah. Du schnallst ja wirklich gar nicht, wie das läuft mit Gott. Wir müssen unbedingt mal zusammen in die Kirche gehen. Ich fasse es nicht… Aber jetzt will ich wirklich die Geschichte von deinem Unfall hören.«
    Ella räusperte sich und begann zu erzählen:
    »Wir lebten damals in München. Ich war sechs und fuhr mit dem Fahrrad die Leopoldstraße entlang. Meine Schwester vorneweg, ich hinter ihr her. Meine Schwester fuhr viel schneller als ich, sie wusste, wie es nach Hause ging. Ich heftete meinen Blick an ihren Rücken, sie trug ein rot-weiß gestreiftes T-Shirt und hatte einen Pferdeschwanz mit einer blauen Schleife. Auf einmal verfing sich mein Rock in den Speichen, und ich stürzte. Dass ich gerade dabei war, eine Straße zu überqueren, hatte ich nicht bemerkt. Ich fuhr immer nur meiner Schwester hinterher, und wenn sie nicht anhielt, hielt ich auch nicht an. Plötzlich krachte es, der Lenker verdrehte sich, mein rechtes Bein lag unter dem Rad und blutete sofort. Mein Ellenbogen war aufgeschürft und die Handflächen taten weh. Die Tränen schossen mir in die Augen, aber ich versuchte mich aufzurappeln. Da kam ein Auto von links, ein kleines, silbernes. Es fuhr nicht schnell, war gerade erst abgebogen. Ich erinnere mich noch genau an den Blinker und daran, dass ich sehen konnte, wie es auf mich zukam. Es hätte noch bremsen können. Ich riss an dem Lenker, versuchte, mein Bein unter dem Fahrrad hervorzuziehen. Das Auto hätte bremsen können. Ich sah eine Frau darin sitzen. Sie schaute mich an. Ich erstarrte. Brems doch! Brems! Das Auto hatte mich jetzt fast erreicht, ich meinte, seinen Dampf spüren zu können. Autos dampfen wie Bügeleisen und machen einen platt, dachte ich und wollte schreien, aber es ging nicht. Dann fuhr das Auto in mich hinein, das eine Rad erwischte das linke Bein und die linke Hand, mit der ich mich abstützte, die ich nicht mehr wegziehen konnte. Jetzt sah ich nur noch die Kühlerhaube und das blinkende Licht über mir, aber ich spürte gar nichts. Das Auto setzte zurück, die Beine meiner Schwester kamen angerannt, ihr Mund schrie, ihre Augen waren aufgerissen. Dann hielt sie mich mit einer Hand fest und schlug mit der anderen auf das Auto ein, bis es außerhalb der Reichweite ihrer Arme zum Stehen kam. Plötzlich tauchten mehrere Gesichter über mir auf, und alle sahen mich mit verzerrten Mienen an, aber keines verstand, dass das Auto hätte bremsen können. Das Gesicht der Frau, die das Auto gefahren hatte, war nicht dabei. Blond war sie, die Frau aus dem Auto. Ich schaute von einem zum anderen Gesicht. Meine Schwester schrie. Da hörte ich plötzlich eine Frauenstimme im Hintergrund, die sagte: ›Hör jetzt sofort auf zu schreien, das hilft hier niemandem!‹
    Die Stimme war eiskalt und furchtbar, und mit einem Schlag fing ich so stark an zu zittern, dass ich mit den Zähnen klapperte und mein Fahrrad leicht auf und ab hüpfte. Dann tat nichts mehr weh. Meine Schwester verstummte, ließ meinen Arm los und sprang der Frau an die Gurgel – wortwörtlich. Sie sprang mit einem Satz vom Boden auf ihren Oberkörper, stemmte ihre Füße in die Hüften der Frau, krallte sich an ihrem Hals fest und biss zu. Zwei-, dreimal. Wie ein tollwütiger kleiner Fuchs. Die Frau schüttelte meine Schwester ab, stieß sie zur Seite, rannte in ihr silbernes Auto und verriegelte die Tür. Meine Schwester stand sofort wieder auf. Mich hatte man inzwischen hochgehoben und auf einen Mantel gehievt, ein Mann hielt meine Beine in die Luft, eine Frau hob meinen Hinterkopf an, um mir Wasser zu geben. Als mein Kinn auf der Brust lag, sah ich, dass mein Bein verformt war, das es nicht mehr wie mein Bein aussah, gar nicht mehr wie mein Bein. Ich presste die Lider aufeinander. Mein Bein war plattgebügelt, es würde nie wieder Springseil springen können, dachte ich, es war platt

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