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34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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als Sophie Rois mit unendlicher Allüre in großer Robe ihre Geldscheine gebügelt hat?«, fragte Sibylle und lachte Horowitz an. »Das würde ich mit dem Geld deiner Schwester auch machen. Ich würde es bügeln.«

20
    Nachdem Jasmin mit ihrem Regencape über dem Arm abgerauscht war, blieb Ella noch einige Minuten lang im Türrahmen stehen. Dann begann sie in der Wohnung herumzuwandern. Das Esszimmer sah in der Dämmerung noch musealer und kulissenartiger als sonst aus. An den Seitenwänden standen hohe hölzerne Anrichten, die mit filigranen Intarsien verziert und mit Porzellangeschirr und Glasvasen prachtvoll bestückt waren. Die Mitte der reich gedeckten Tafel schmückte ein Pokal, in dem ein verzweigter Korallenstock den Blumenstrauß ersetzte; in Muschelschalen häuften sich Salz- und Pfefferhügel, und in die langstieligen Kristallgläser waren Seepferdchen eingraviert. Ella ging in den »großen Salon« und rief Horowitz an.
    »Hallo Horowitz.«
    »Ella, guten Abend«, antwortete Horowitz, räusperte sich und fragte: »Wollen Sie Ihr Leben wieder?«
    »Mein Freund sagt, Sie wären nicht in meiner Wohnung, und da wollte ich mal hören, ob es Ihnen vielleicht doch nicht so gut gefällt bei mir.«
    »Sie haben einen Freund?«
    Ella schwieg.
    Horowitz schwieg auch, dann räusperte er sich erneut und sagte: »Also, nein, im Gegenteil, mir gefällt es außerordentlich gut bei Ihnen. Und wissen Sie was? Ich habe Ihre Mutter kennengelernt.«
    »Meine Mutter?«
    Horowitz hustete.
    »Wo?«
    »Hier.«
    »Haben Sie sie reingelassen?«
    »Nein, nein, ich…«
    »Gut«, sagte Ella erleichtert. »Sie haben keine Ahnung, wie sehr mich das erleichtert! Meine Mutter nimmt sich nämlich normalerweise alles, was sie will. Was ihr zusteht und was ihr nicht zusteht.«
    »So«, sagte Horowitz. »Ihre Mutter ist…«
    »Hat Sie Ihnen von den Blumen erzählt, den Vögeln, den Scheichs?«
    Horowitz hustete erneut.
    »Sind Sie erkältet?«, fragte Ella.
    »Nein, nein, nichts.«
    »Sie hat Ihnen also von den Blumen…«
    »…den Vögeln, den Scheichs erzählt, ja«, fuhr Horowitz fort.
    »Das macht sie immer«, sagte Ella.
    Horowitz räusperte sich erneut.
    »Sie haben sich erkältet«, sagte sie.
    »Wollen Sie mir vielleicht erzählen, wie Ihre Mutter die Scheichs kennengelernt hat? Ich meine, die gibt es ja nicht an jeder Ecke«, sagte Horowitz.
    »Warum?«, fragte Ella.
    »Weil das sicher eine gute Geschichte ist.«
    »Nur wenn Sie mir eines versprechen…«, sagte Ella.
    »Und das wäre?«
    »Dass Sie sie nie, nie, nie in meine Wohnung lassen.«
    Horowitz räusperte sich wieder.
    »War das ein Ja?«
    »Erzählen Sie, Ella, erzählen Sie!«
    »Also – wie Sie sich ja jetzt vorstellen können – war meine Mutter eine ziemlich füllige Blondine mit einem ausladenden Dekolleté, kleinen speckigen Füßchen und einem losen Mundwerk. Diese Kombination schien den Herren aus dem Morgenland zu gefallen. Ein alter Schulfreund von ihr war ein berühmter Zahnarzt, obwohl er scheußlich aussah. Seine Praxis lag auf der Maximilianstraße in München, wo wir früher wohnten. Sie lag direkt gegenüber vom Vier Jahreszeiten , in das wir manchmal vom jeweils aktuellen Scheich zum Kakaotrinken eingeladen wurden. Im Vier Jahreszeiten servierten sie den Kakao in kleinen Silberkannen, und man bekam zu jeder Kanne Kakao eine kleine silberne Etagere mit Gebäck, herrlichem Gebäck. Der Zahnarzt behandelte die reichen Araber, die sich samt ihrer Entourage einmal im Jahr nach München einfliegen ließen, und er informierte meine Mutter immer, wann wer zu erwarten war. Sie steckte sich dann Schmetterlinge ins Haar und passte den jeweiligen Scheich im Wartezimmer ab. Wie sie es bewerkstelligte, weiß ich nicht, aber im nächsten Jahr kamen sie wieder, und spätestens im dritten brachte meine Mutter sie dann dazu, sie nach Saudi-Arabien, Brunei, in den Irak oder sonst wohin einzuladen, und vier Mal kam sie in der festen Überzeugung zurück, verheiratet zu sein. Die Rituale waren jedes Mal undurchsichtig, aber prächtig genug, um sie nicht genau hinterfragen zu müssen. Ums Geld sei es ihr dabei nie gegangen, sondern darum, dass ihr ornamentaler Charakter gewürdigt wurde – sagte sie jedenfalls«, sagte Ella.
    »Und Ihr Vater?«, fragte Horowitz.
    »Mein Vater? Ich mache mir gerade sehr viele Gedanken um meinen Vater. Ich weiß nicht, wer mein Vater ist. Mit sechzehn hat meine Schwester alles versucht, um unserer Mutter Hinweise auf ihn zu entlocken, aber

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