34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
welches keine Glasscheiben hatte, und einer in der Mitte des Zimmers. An dem erstem saßen zwei Offiziere, rauchend und Weingläser vor sich. An dem letzteren hatte ein älterer Kriegsmann Platz genommen. Er schien auf einer Karte die berühmte Gegend zu suchen, wo der Pfeffer wächst, konnte sie aber nicht finden, denn ich stand mit dem Major wohl fünf Minuten lang an der Tür, ohne daß der Señor General uns die geringste Beachtung schenkte. Die übrige Eskorte war draußen in der vorderen Peststube geblieben.
Der General war wohl sechzig Jahre alt, hatte aber noch kein graues Haar. Er trug weiße Pantalons, kurzschäftige Stiefel mit gelben Stulpen, wie ein deutscher herrschaftlicher Kutscher, eine rote Samtweste und einen mit Goldborten überladenen blauen Frack. Die Raupen seiner Epauletten hingen ihm fast bis zum Ellbogen herab. Es kam mir ganz so vor, als ob ich mich während der Probe eines kriegerischen Lustspieles auf der Bühne befände. Angst fühlte ich gar nicht. Nur ärgerte ich mich über den Major, welcher meine beiden Revolver in seinem oder vielmehr meinem Gürtel stecken hatte. Der Kerl befand sich also im Besitz aller Gegenstände, welche ich in demselben aufbewahrt hatte.
Erst räusperte er sich einigemale vergeblich. Dann hustete er, laut und lauter. Erst als das gar zu auffällig wurde, erhob der General den Kopf von der Karte und musterte mich mit finsterem Blick.
„Ist das der Deutsche?“ fragte er den Major.
„Er ist es“, antwortete dieser.
„Gut! Sie bleiben natürlich hier, um den Mann dann wieder abzuführen.“
Der Offizier zog eine Zigarette aus dem Päckchen, welches neben der Karte auf dem Tisch lag, steckte sie in Brand, legte bequem das eine Bein über das andre, warf mir noch einen ebenso drohenden wie geringschätzenden Blick zu und fragte mich dann:
„Du bist in Deutschland geboren?“
Der Major stand hinter mir. Ich trat zur Seite und sah ihn an, als ob ich der Ansicht sei, daß die Frage ihm gegolten habe.
„Ob du in Deutschland geboren bist, oder ob du von deutschen Eltern stammst, frage ich dich!“ fuhr mich der General an.
Dennoch warf ich dem Major einen Blick zu, als ob ich ihm sagen wolle, daß er doch antworten solle.
„Dich frage ich, dich!“ schrie der General, indem er aufsprang und auf mich zutrat.
„Mich?“ fragte ich im Ton des Erstaunens.
„Ja, dich! Und nun antworte, sonst lasse ich dir den Mund öffnen!“
„Ich glaubte wirklich, die Frage sei an Señor Cadera gerichtet, und freute mich herzlich über das familiäre Verhältnis, welches zwischen einem argentinischen General und seinen Untergebenen stattfindet.“
„Mensch! Weißt du, bei wem du dich befindest?“
„Natürlich, bei dir!“
Er fuhr zurück; die beiden Offiziere am andern Tisch sprangen auf, und der Major ergriff mich drohend beim Arm.
„Chispas!“ rief der General. „Hat man schon einmal so etwas gehört? Dieser Halunke duzt mich!“
„Das ist noch lange nicht so unglaublich, als daß ein General einen Halunken duzt!“ antwortete ich.
Die beiden Offiziere griffen an ihre Säbel. Der Major schüttelte mich, griff nach der Türklinke und fragte:
„Soll ich den Profoß rufen, Señor General?“
Dieser winkte ab. Er kehrte zu seinem Stuhl zurück, setzte sich nieder und sagte:
„Nein! Ein solcher Kerl kann mich nicht beleidigen. Aber Sie haben Recht gehabt, Major, als Sie diesen Menschen schilderten. Ihm ist alles zuzutrauen. Daß er es wagt, mich du zu nennen, kennzeichnet ihn so genau, wie nichts anderes. Bleiben wir ruhig! Er soll dann erfahren, was geschieht.“
Er setzte sich wieder zurecht und fragte mich nun:
„Sie sind in Deutschland geboren?“
„Ja, Señor“, antwortete ich höflich.
„Was sind Sie?“
„Gelehrter.“
„Ojala! Wenn Ihr Vaterland solche Gelehrte hat, so möchte ich erst einmal einen Ungelehrten, einen Ungebildeten, kennen!“
„Die gibt es in Deutschland nicht, denn es wird keinem Deutschen einfallen, einen Fremden du zu nennen. Dazu achtet sich der Deutsche viel zu hoch. Selbst der niedrigste Knecht tut das nicht.“
„Mensch! Wissen Sie, daß ich Sie zermalmen kann?“
„Das weiß ich nicht und glaube es auch nicht. Einen Alemano zermalmt man nicht so leicht. Ich begreife überhaupt nicht, wie Sie dazu kommen, in einem solchen Ton mit mir zu reden. Daß Sie General sind, stellt Sie nicht höher als mich. Vielleicht besitzt ein deutscher Sergeant mehr Geschick und Kenntnis als Sie. Ich frage aber nicht
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