34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
sondern zwei Wächter stehen. Das war dumm! Sollte oder vielmehr konnte ich zwei Menschen auf mich nehmen? Jawohl, aber während ich den einen niederschlug und den andern packte, konnte dieser um Hilfe rufen. Dennoch kroch ich näher. Sie sprachen miteinander. Ich hörte ihre Stimmen, ihre Worte ganz deutlich. Und fast hätte ich vor Freude die Hände zusammengeschlagen, als ich in der Stimme des einen als diejenige des Oberlieutenants erkannte.
Ich hatte mich darauf gefaßt gemacht, lange und unter Gefahr nach ihm suchen zu müssen, und nun war ich ihm gerade vor die Fährte gekommen! Beide zugleich konnte ich nicht fassen. Ich mußte darauf rechnen, daß Gomarra nur für einen Augenblick hierhergekommen sei, um nach seinen Pferden zu sehen und dann wieder zurückzukehren. Darum kroch ich noch eine Strecke weiter und blieb dort still im Camposgras liegen. Wohl fünf Minuten hatte ich gewartet, da erklangen von dem Rancho her laute Rufe:
„Herein, herein, alle! Die Kerle sind weg! Sie haben sich versteckt. Herein, herein!“
Das war der Major. Hinter mir, gegen die Kaktushecken zu, hörte ich nun Stimmengewirr und eilende, drängende Schritte. Vor mir hatte sich der Indianer, der Oberlieutenant, auch sofort in Bewegung gesetzt. Er eilte auf den Rancho zu und mußte an mir vorüberkommen. Jetzt war er da!
Er sah mich nicht. Indem er vorbei wollte, ergriff ich seinen Fuß. Er stürzte zu Boden, und sofort lag ich auf ihm, indem ich ihm die Gurgel zusammendrückte. Er war mein. Nun nahm ich ihn auf die linke Schulter und ging schnurstraks zu dem Wächter der Pferde. Vor diesem einen Mann hatte ich gar keine Sorge, zumal ich darauf rechnete, daß er vor Schreck halbtot sein werde. Als er mich mit meiner Last erblickte, fragte er:
„Was ist denn das für ein Lärm in dem Rancho?“
„Der Major ruft die Leute“, antwortete ich.
„Warum?“
„Davon nachher! Wo stehen noch andre Pferde?“
„Weit um die nächste Ecke.“
„Wie viele Wächter?“
„Nur einer, gerade wie hier.“
Der Mann antwortete mir wunderhübsch. Nun aber kam ihm doch der Verdacht, denn er fügte hinzu:
„Was ist denn das? Was haben Sie? Das ist ja ein Mensch? Was sind Sie?“
„Der Deutsche, den ihr fangen wollt, und dieser hier ist der Oberlieutenant Gomarra, den ich anstatt dessen nun mir gefangen habe. Melde das dem Major, wenn du ausgeschlafen hast! Einige Pferde nehmen wir uns mit. Gute Nacht!“
Er empfing meinen Hieb, ohne sich zur Flucht von der Stelle gewendet zu haben, und fiel zu Boden.
„Señor Monteso!“ rief ich ziemlich laut, denn ich brauchte nicht mehr vorsichtig zu sein.
„Was?“ fragte er.
„Holen Sie schnell die andern herbei! Pferde sind die schwere Menge da, und zwar die besten unter allen.“
Er rannte fort und brachte in kürzester Zeit die Gefährten herbei. Das Erstaunen derselben läßt sich kaum beschreiben.
„Um des Himmels willen, welche Unvorsichtigkeit!“ meinte der Oberst. „So nahe am Rancho, wo die Feinde stehen!“
„Die stehen nicht da, sondern sie befinden sich im Innern des Rancho, um nach uns zu suchen.“
„Und wer liegt denn da?“
„Der Wächter und der Oberlieutenant, den wir mitnehmen. Aber fragen Sie nicht, sondern beeilen Sie sich, daß wir fortkommen! Jeder mag sich ein Pferd nehmen. Gesattelt sind sie ja alle.“
„Ein Pferd? Da es einmal so steht, so mag jeder so viele Tiere beim Zügel nehmen, als er fortzubringen vermag. Dann aber weiter.“
Nach diesem Befehl des Obersten wurde gehandelt. Die Pferde waren alle an Lassos gepflockt. Man brauchte die Pflöcke nur aus der Erde zu ziehen, so hatte man Pferd, Lasso, Sattel und das ganze Zeug. Gewiß ein billiges Geschäft! Jeder nahm, was er erwischte; dann wurde aufgestiegen. Ich hob den ohnmächtigen Oberlieutenant zu mir in den Sattel, und dann ging es fort. Nach mehreren Minuten, als wir uns nicht mehr in der gefährlichen Nähe des Rancho befanden, wurde zunächst ein ganz kurzer Halt gemacht, um den Gefangenen zu binden, damit er beim Erwachen keine Beschwerden machen könne.
„Und wo aber nun hin?“ fragte der Oberst.
„Zunächst nach Nordost“, antwortete der Yerbatero. „Da es dunkel ist, müssen wir langsam reiten, um zunächst aus dem Gesumpf des Paraná glücklich herauszukommen. In Kurzer Zeit geht der Mond auf. Dann wird es sich leichter reiten lassen.“
Er hatte recht. Nach einer halben Stunde erschien der Mond am Himmel, welch' letzterer jetzt so rein und wolkenlos war, daß man ein
Weitere Kostenlose Bücher