34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
junges, sauberes Weibchen kam heraus und machte ihm einen tiefen Knicks.
„Ist oben offen?“ fragte er.
„Ja. Es sind einige Señors da, und meine Schwester ist zur Bedienung oben.“
„So gehen wir hinauf. Sorgen Sie dafür, daß wir nicht von Gesindel belästigt werden!“
Das klang in einem ganz andern Ton, so bestimmt, als ob er von Jugend an gewöhnt sei, Befehle zu erteilen. Sie verneigte sich abermals wie vor einem gebietenden Herrn, und dann stiegen wir die Treppe hinauf.
Droben kamen wir erst in ein kleineres Vorzimmer, in welchem einige Hüte hingen und Stöcke in einem eleganten Halter standen. Monteso schlug eine Plüschportiere zurück, und wir traten in einen schmalen, langen Salon, welcher reich ausgestattet war. Einige Lustres verbreiteten beinahe die Helle des Tages. Die Tische hatten Marmorplatten; Stühle und Diwans waren mit roten Plüsch überzogen. Auf jedem Tisch stand eine Flaschenkollektion mit Weinen verschiedener Sorten. Kurz und gut, der Salon hätte in das feinste Hotel einer europäischen Großstadt gepaßt.
Vom Büffet erhob sich ein junges Mädchen, um uns mit tiefen Verbeugungen zu grüßen. An einem Tisch saßen vier Herren, welche ihrer Kleidung nach den besten Ständen angehörten. Auch sie grüßten höflich. Einer von ihnen reichte sogar Monteso in kordialer Weise die Hand.
Und hier verkehrten die Yerbateros? Die andern fünf waren ebenso lumpig gekleidet, wie Monteso. Sie gingen barfuß. Ihre Hüte waren in Summa keine fünfzig Pfennig wert. Haare und Bärte waren ungepflegt. Keiner schien sich später als vor Monaten gewaschen zu haben. Ich war erstaunt, ließ aber natürlich nichts davon merken.
Monteso schritt zum hintersten Tisch, welcher so groß war, daß wir alle Platz an demselben fanden, gab einen Wink, uns da niederzusetzen, und kehrte zum Büffet zurück, um eine Bestellung zu machen.
Das Mädchen nahm die auf dem Tisch stehenden Flaschen weg und brachte andere an deren Stelle. Zu meinem Erstaunen las ich Etiketten wie ‚Château Y quem‘, ‚Latour blanche‘ und ‚Haut-Brion‘. Wenn diese Weine echt waren, so paßte der Preis derselben freilich nicht zu den nackten Füßen derer, welche die Flaschen leeren wollten.
Monteso setzte sich mir gegenüber, machte mir eine freundlich höfliche Verbeugung und sagte:
„Da ich Sie seit Mittag beobachtet habe, Señor, so weiß ich genau, daß Sie noch nicht zur Nacht gespeist haben. Denn bei Tupido sind Sie so kurze Zeit gewesen, daß Sie ganz unmöglich an seiner Tafel gegessen haben können. Wir ersuchen Sie daher, unser Gast zu sein und ein Abendbrot mit uns einzunehmen. Freilich können wir Ihnen eben nur das bieten, was arme Yerbateros zu essen pflegen, wenn sie sich einmal in einer Stadt befinden. Es ist frugal genug.“
„Das scheint allerdings so“, lachte ich, indem ich auf die Flaschen deutete. „Wenn das Brot, welches Sie genießen, zu diesem Wasser paßt, so möchte ich wohl alles, aber nur nicht Yerbatero sein.“
„Vielleicht ist es nicht ganz so schlimm, wie es den Anschein hat. Hoffentlich werden Sie unsere Art und Weise näher kennenlernen, denn ich schmeichle mir, daß wir noch sehr oft so wie heute beisammen sitzen werden, wenn auch nicht hier an diesem Ort.“
Er entkorkte einige Flaschen, füllte die Gläser und stieß auf die Fortdauer unsrer jungen Bekanntschaft an. Dann zog er eine, wie es schien, reich gefüllte Brieftasche hervor und reichte mir aus derselben die Geldnoten zurück, welche ich ihm heute geliehen hatte.
„Erlauben Sie mir, gegen unsre heutige Vereinbarung handeln zu dürfen!“ sagte er dabei. „Eigentlich müßte ich kündigen und hätte erst übers Jahr zu zahlen. Da die Sache aber meinerseits nichts als Scherz war, so bitte ich, es als solchen aufzufassen. Ich bin keineswegs der arme Mann, für den Sie mich hielten, doch freue ich mich Ihres Irrtums, da er mir Gelegenheit gegeben hat, Sie kennenzulernen. Leute von Ihrer Herzensgüte mag es unter den Deutschen viele geben; hier aber sind dieselben äußerst selten. Darum habe ich Sie sofort in mein Herz geschlossen und meinen Kameraden von Ihnen erzählt. Sie können in jeder Beziehung auf unsre Freundschaft rechnen.“
Ich suchte zwar mein Erstaunen möglichst zu verbergen, brachte es aber doch nicht über mich, die Frage zurückzuhalten:
„Aber, Señor, wenn Sie so viel besser situiert sind, als es den Anschein hatte, warum ließen Sie sich da bei dem hochnäsigen Tupido herab, ihm wegen lumpiger
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