34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
zweihundert Papiertaler so viele gute Worte zu geben?“
„Um ihn zu täuschen, Señor. Wir sind ehrliche Leute, und derjenige, welcher uns Vertrauen schenkt, der wird sich niemals getäuscht fühlen. Wer uns ehrlich bezahlt, der erhält auch ehrliche Ware und kann sich in jeder Beziehung auf uns verlassen. Dieser Tupido aber ist ein Betrüger, ein Schwindler, und darum haben wir ihn ausgewischt. Ich weiß, daß Sie es ihm nicht wieder sagen. Die Probe, welche er von unserm Tee untersucht und auch getrunken hat, war ausgezeichnet; aber des Nachts haben wir in seinem eigenen Magazin, zu welchem wir uns Zugang geschafft hatten, die Pakete umgetauscht. Er hat unter den vielen Zentnern Tee, welche nach seiner Ansicht in seinem Vorratshaus liegen, nicht so viel wirklichen Tee, wie man mit drei Fingerspitzen fassen kann.“
„Ah! Señor, das ist aber Betrug!“
„Betrug? Sie sind ein Deutscher, und jedem andern als Ihnen würde ich dieses Wort sehr übel nehmen. Was nennen Sie Betrug? Ist es Diebstahl, wenn ich dem Dieb das, was er mir gestohlen hat, heimlich wieder abnehme?“
„Warum nicht durch das Gericht?“
„Weil dies ihm gegenüber vielleicht machtlos ist. Bleiben Sie mir mit den Gerichten fern! Werden mir hier tausend Pesos gestohlen, und ich zeige den Dieb an, so kostet es mich vielleicht zwei oder gar drei Tausend, um das eine Tausend zurück zu erhalten, und dabei geht der Dieb wahrscheinlich straflos aus. Unsere Diebe haben nämlich die Angewohnheit, nebenbei Beamte zu sein. Auch stehlen sie niemals, sondern die Sachen kommen ihnen des Nachts in die Häuser gelaufen. Da hilft man sich denn am liebsten selbst. Tupido hat uns betrogen, und wir haben ihn nun ausgezahlt, ohne uns an die Behörde zu wenden. Wir fühlen uns in unserm Recht und denken nicht, uns darüber ein böses Gewissen machen zu müssen. Die zweihundert Taler habe ich ihm hingeschickt. Ich ließ ihm sagen, daß es mir gelungen sei, sie geborgt zu erhalten. Und nun sind wir mit ihm fertig. Sie kennen das Leben eines Yerbatero nicht. Es gehört zu den mühseligsten und gefährlichsten, welche es gibt, und wir wollen nicht täglich unsre Gesundheit und unser Leben wagen, um Sklaven zu bleiben und Betrüger zu Millionären zu machen.“
„Ich habe allerdings keine Ahnung von den Gefahren, denen ein Teesammler ausgesetzt ist. Welche Lebensgefahr könnte es dabei geben, wenn man in einer wohlangelegten Teepflanzung die Blätter der Sträucher oder Bäume sammelt?“
„Wären Sie nicht unser Gast, so würden wir Sie vielleicht ein wenig auslachen, Señor. Sie sprechen von wohlangelegten Pflanzungen. Sie meinen Teeplantagen? Zur Erntezeit begeben sich dann die Arbeiter in diesen Garten und pflücken die Blätter ab?“
„So ungefähr habe ich es mir vorgestellt, ganz analog der Art und Weise, wie der chinesische Tee kultiviert wird.“
„Dachte es mir. Aber da befinden Sie sich in einem gewaltigen Irrtum, Señor. Ich werde Ihnen das erklären, wenn wir bedient worden sind.“
Das Mädchen begann jetzt nämlich, den Tisch zu decken. Was machte ich für Augen, als diese barfüßigen Leute silberne Bestecke vorgelegt erhielten! Das Geschirr bestand aus feinstem Sèvres, und was die Speisen betraf, so konnte man sie im besten Restaurant eines Pariser Boulevards oder unter den Linden nicht besser haben. Es gab außer der Suppe sechs Gänge und zuletzt feines Backwerk und die Früchte dreier Erdteile in Menge. Dabei machte Monteso den Wirt in der Weise eines Schloßherrn, welcher gewohnt ist, zu repräsentieren. Und während er mit der Eleganz einer Hofdame speiste und mir immer nur das beste zuteilte, fuhr er in seiner Erklärung fort:
„Der echte Yerbatero holt den Tee aus den Urwäldern, oft aus Gegenden, welche nie eines Menschen Fuß betrat, aus Gegenden, in denen er jeden Schrittbreit den Jaguars, Pumas, Krokodilen und wilden Indianern abzukämpfen hat. Haben Sie davon noch nichts gehört?“
„O doch, aber ich habe geglaubt, daß dies nur ausnahmsweise vorkomme. Ich bin gespannt, etwas Näheres über das Leben des Yerbatero zu hören.“
„Nun, was im allgemeinen darüber gesagt werden kann, das ist sehr bald mitgeteilt. Der Yerbatero geht natürlich nicht allein in die Wildnis. Ein Unternehmer engagiert zehn, zwanzig oder auch dreißig von ihnen und sorgt für ihre Ausrüstung. Er versieht sie mit Ponchos und andern Kleidungsstücken, mit Messern, Äxten, Waffen, Branntwein, Tabak und sonstigen Bedürfnissen. Sodann muß eine
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