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34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Einquartierung bedacht zu werden.
    Durch das Fenster blickend, sah ich, daß er die Decken abschnallte. Dabei erschien er seinen Gefährten etwas zu erklären. Ich vermutete, daß er ihnen verbot, über meinen ungewöhnlichen Anzug zu lachen. Er schob das Tier hin und her, und dabei bemerkte ich, daß das Pferd das eine Hinterbein schnell und zuckend hob, im Sprunggelenk stark bog und rasch wieder auf den Boden setzte. Ah, hielt man mich für einen so schlechten Reiter, daß man mir ein solches Tier anbieten konnte? Ich öffnete das Fenster und rief hinab:
    „Aber, Señor, das Pferd leidet ja ganz stark am Zuckfuß!“
    „Nur ein wenig“, antwortete er herauf.
    „Das ist mehr als ein wenig!“
    „Sie werden es nicht bemerken, wenn Sie im Sattel sitzen!“
    „Ich werde gar nicht auf diesem Pferd sitzen.“
    Ich machte das Fenster zu, um den Wirt aufzusuchen. Er gehörte zu den wenigen, welche einen Stall besaßen. In demselben hatte ich mehrere Pferde stehen sehen, von denen eins mir besonders gefallen hatte. Er stand mit seiner ganzen Dienerschaft bereit, mir einen höflichen Abschied zu bereiten. Ich trug ihm mein Anliegen vor, und er war bereit, mir das Pferd abzulassen, und ließ es in den Hof bringen. Ritt ich schlechte Pferde, so war ich gezwungen, oft zu wechseln. Ich brauchte ein Tier, welches sich an mich gewöhnt und auf welches ich mich verlassen konnte. Wechseln wollte ich so wenig wie möglich, am liebsten gar nicht.
    Ja, das war ein ganz anderes Tier als der Zuckfuß! Ein vierjähriger Brauner, voll Feuer, stark und doch elegant gebaut, mit hübsch aufgesetztem Hals und prächtiger Hinterhand. Die Yerbateros standen dabei und betrachteten ihn mit bewundernden Blicken.
    „Da darf man sich noch nicht aufsetzen“, erklärte Monteso. „Der muß erst einen Tag lang nebenher gehen, um müde zu werden.“
    „Ja“, stimmte der Wirt bei. „Er wurde nicht gebraucht und hat über eine Woche im Stall gestanden. Übrigens reite ich ihn nur selbst. Er duldet keinen andern im Sattel. Sie werden Ihre Not haben, wenn Sie ihn kaufen, Señor!“
    „Was kostet er?“ fragte ich kurz, anstatt der Antwort.
    „Sie sollen ihn für fünfhundert Papiertaler haben.“
    Das waren nach deutschem Geld achtzig Mark. Ich handelte nichts ab und zahlte ihm die Summe sofort aus. Ich hätte ihm auch noch mehr gegeben. Im Stall hatte ich einen englischen Sattel mit zugehörigem Zeug hängen sehen. Ich kaufte auch das noch und hatte dafür hundert Papiertaler, also sechzehn Mark zu zahlen.
    Nun war Pferd und Sattel mein, und ich konnte machen, was mir beliebte. Sämtliche Insassen und Bewohner des Hotels hatten sich auf dem Hof eingefunden. Der Braune hatte keinen Augenblick still gestanden. Er sprang in graziösen Bewegungen im Hof umher, und der Peon, welcher ihn aus dem Stall gelassen hatte, gab sich vergeblich Mühe, ihn am Halfterband zu fassen. Als noch zwei andere Knechte sich diesen Bemühungen anschlossen, wurde das Pferd geradezu wild und verteidigte sich mit den Hufen gegen die es bedrängenden Männer. Es wurden Lassos herbeigeholt; aber das Tier schien die Weise, wie man sich dieser Riemen bedient, genau zu kennen. Er tat, so oft die Schlinge geflogen kam, um sich um seinen Hals zusammenzuziehen, einen Seitensprung, durch welchen es ihm gelang, der Gefangenschaft auszuweichen.
    Monteso lachte die Knechte aus. Er behauptete, sie seien im Gebrauch des Lassos nicht geschickt genug. Aber als er es dann selbst versuchte, hatte er ganz denselben Mißerfolg, wie sie, und seine Kameraden erging es ebenso.
    „Señor, Sie müssen sich der Bola bedienen“, sagte er zu mir. „Das Pferd hat den Teufel im Leib. Werden ihm nicht die Kugeln um die Hinterbeine geworfen, so daß es stürzen muß, so bekommen Sie es nicht in Ihre Gewalt.“
    „Meinen Sie? Ich denke, daß der Lasso genügend ist, es zu fangen. Denn ich glaube, daß es bisher am nötigen Geschick gefehlt hat.“
    Er machte ein ganz unbeschreibliches Gesicht und musterte mich mit einem Blick, ungefähr wie ein Rechenkünstler einen Schulknaben ansehen würde, welcher behauptet, im Kopf aus einer hundertstelligen Zahl die Kubikwurzel ziehen zu können.
    „Das klingt sehr hübsch aus Ihrem Mund!“ lachte er. „Getrauen etwa Sie sich, es besser zu machen als wir alle? So versuchen Sie es! Sie werden ausgelacht werden, wie ich.“
    Ich rollte meinen Riemen auf, legte die Schlinge und näherte mich dem Pferd. Es sprang weiter, und ich folgte ihm langsam von der Seite.

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