34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
des Nachts in mehrere Ponchos hüllen, schlafe ich in dieser Kleidung im Freien, ohne daß die Kühle mich aus dem Schlaf weckt.“
„Dann wäre sie freilich praktisch!“
„Sie haben hier oft starke Regengüsse. Durch dieses indianisch zubereitete Leder dringt der Regen nicht, während er bei Ihnen sofort bis auf die Haut geht. Mir können die Stachelgewächse des Urwaldes nichts anhaben, während Ihnen die Kleidung durch die Dornen in Fetzen gerissen wird. Und sehen Sie, wie eng meine Kleidung am Hals schließt. Kein Moskito vermag es, bis auf meine Haut zu dringen. Wie aber steht es bei Ihnen?“
„O Señor“, seufzte er, „wenn ich mich vier oder fünf Tage bei der Arbeit befinde, so ist mein ganzer Körper ein einziger Moskitostich!“
„So wird es Ihnen sehr leicht sein, einzusehen, daß Sie über etwas gelacht haben, um was Sie mich beneiden sollten.“
„Ja, aber Sie können sich doch gar nicht bewegen! Sie sehen aus wie ein Taucher in seiner Rüstung. Diese schrecklichen Stiefel!“
Er betastete die sogenannte Fußbekleidung, deren Aufschlageschäfte mir allerdings sogar die Oberschenkel bedeckten.
„Sie sind nicht schrecklich, sondern außerordentlich praktisch. Durch diese Stiefel dringt kein Giftzahn einer Schlange und auch kein Wassertropfen. Ich reite bis zur Sattelhöhe im Fluß, ohne naß zu werden.“
„Und diese Hose mit den eigentümlichen Fransen!“
„Das sind indianische Leggins, aus der Haut einer Elenkuh gefertigt, fast unzerreißbar zu nennen.“
„Und dieses Kleidungsstück?“
„Ist ein indianisches Jagdhemd aus dem Fell eines Büffelkalbes. Es ist so dünn und leicht wie ein Leinwandhemd, reißt nicht und kann gewaschen werden. Und das Oberkleid ist ein indianischer Jagdrock aus Wapitifell, dessen Zubereitung über ein Jahr erfordert hat. So dünn das Leder ist, es dringt kein Pfeil hindurch, der nicht ganz aus der Nähe abgeschossen ist.“
„Das wäre prächtig! Wissen Sie, Señor, daß es im Gran Chaco und den angrenzenden Nordgegenden Indianer gibt, welche sich vergifteter Pfeile bedienen? Nur ein leiser Ritz durch einen solchen Pfeil tötet den Getroffenen binnen kurzer Zeit!“
„Das weiß ich, und gerade darum habe ich diesen Anzug mitgebracht.“
„Ich beginne einzusehen, daß ich unrecht hatte. Aber die Hauptsache fehlt, Señor, die Sporen.“
„Die habe ich eingepackt. Ich lege sie nur an, wenn ich sie brauche.“
„Aber Sie werden ja reiten und brauchen sie also! Kein hiesiges Pferd läuft, ohne daß es die Sporen bekommt.“
„Das hat seinen Grund. Sie gebrauchen dieses Reizmittel zu oft, so daß die Pferde es gar nicht mehr beachten und Sie es in stets größerer Stärke anwenden müssen. Ich bin tagelang geritten, ohne das Pferd mit dem Stachel berührt zu haben. Das ist eben das Kennzeichen eines guten Reiters. Er braucht die Haut des Pferdes nur ganz leise mit dem Sporn zu berühren, so geht es bereits in die Luft.“
Was für Augen machte mir da der Mann! Einen Vortrag wie diesen hatte er nicht erwartet; aber er schwieg. Er betrachtete meine Gewehre, meine Revolver, den Inhalt meines Gürtels. Er fand viel, was ihm unnötig erschien, und er vermißte noch weit mehr, was er für das größte Bedürfnis hielt. Doch unterließ er es, sich darüber in Diskussion einzulassen. Meine Abweisung seiner Kordialität wirkte noch nach, und das konnte gar nichts schaden.
Vom Fenster aus bemerkte ich das ledige Pferd, welches für mich bestimmt war. Es war nicht mehr wert als die andern auch. Es blutete ebenso an den beiden Weichen und hatte einen tückisch ängstlichen Blick wie alle diese Tiere, welche keine Liebe und Pflege finden.
„Das ist für mich?“ fragte ich.
„Ja, Señor. Ich habe Ihnen das ruhigste und zuverlässigste ausgewählt.“
„Dafür bin ich Ihnen nicht dankbar, ebensowenig auch dafür, daß Sie es angeputzt haben wie die anderen. Ich liebe das nicht. Sie können das alles abnehmen und die Decke auch. Ich reite hart und sitze also auf dem bloßen Sattel.“
„Behüt' mich Gott, sind Sie ein Mann! Sie werden es bereuen, die Decken verschmäht zu haben! Soll ich hinabgehen, um sie wegzunehmen?“
„Ja, bitte!“
Er ging.
Ich hatte noch einen zweiten, sehr triftigen Grund, diese Decken zurückzuweisen, aber ich sagte ihm denselben nicht. Dieser Grund bestand in dem Ungeziefer, mit welchem diese Leute bis zur Überfülle behaftet zu sein pflegen, und ich fühlte keine Lust, gleich am ersten Tag mit einer solchen
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